Rassismus: Unterschied zwischen den Versionen

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Dennoch werfen Tolkiens Romane die Frage auf, wieweit er von dem mitunter rassistischen Zeitgeist der 1920er-1940er Jahre unbewußt geprägt wurde. In der Tat teilt Tolkien das Personal seiner Romane in unterschiedliche "Rassen" ein, die sich klar durch äußere Merkmale, aber auch durch innere Charakterzüge unterscheiden. Während die [[Elben]] als überirdisch schöne, kulturell hochstehende Wesen beschrieben werden, stehen auf der anderen Seite die [[Orks]] als Vertreter eines häßlichen, niederträchtigen und brutalen Volks mit kannibalistischer Veranlagung. Dies erinnert an die klischeehafte Darstellung afrikanischer und indianischer Völker in Reiseberichten aus dem 16.-19. Jahrhundert. Hinzu kommt, daß die Orks letztlich degenerierte Elben sind, die durch "Züchtung" enstanden sind. Auch der "degenerierte Hobbit" Gollum erinnert in seiner Bösartigkeit, Niederträchtigkeit und Unterwürfigkeit sowie seinem "schleimigen Aussehen" an die damals üblichen Karikaturen von als minderwertig erachteten "Rassen" oder Völkern.  
Dennoch werfen Tolkiens Romane die Frage auf, wieweit er von dem mitunter rassistischen Zeitgeist der 1920er-1940er Jahre unbewußt geprägt wurde. In der Tat teilt Tolkien das Personal seiner Romane in unterschiedliche "Rassen" ein, die sich klar durch äußere Merkmale, aber auch durch innere Charakterzüge unterscheiden. Während die [[Elben]] als überirdisch schöne, kulturell hochstehende Wesen beschrieben werden, stehen auf der anderen Seite die [[Orks]] als Vertreter eines häßlichen, niederträchtigen und brutalen Volks mit kannibalistischer Veranlagung. Dies erinnert an die klischeehafte Darstellung afrikanischer und indianischer Völker in Reiseberichten aus dem 16.-19. Jahrhundert. Hinzu kommt, daß die Orks letztlich degenerierte Elben sind, die durch "Züchtung" enstanden sind. Auch der "degenerierte Hobbit" Gollum erinnert in seiner Bösartigkeit, Niederträchtigkeit und Unterwürfigkeit sowie seinem "schleimigen Aussehen" an die damals üblichen Karikaturen von als minderwertig erachteten "Rassen" oder Völkern.  


Es läßt es sich nicht leugnen, dass Tolkiens Terminologie (Rassen, Züchtung) und seine eindeutige Gegenüberstellung guter und böser Rassen den Geist der 1930er und 1940er Jahren widerspiegeln, in denen der "Herr der Ringe" entstand. Damals wurden Theorien wie die Eugenik, "Rassenhygiene" und eine rassistisch determinierte Rassen- und Völkerkunde als Wissenschaft betrieben, und dies nicht allein in faschistischen Staaten. So ließe sich argumentieren, daß sich Tolkien den damals geführten Diskursen nicht gänzlich entziehen konnte und zumindest indirekt durch sie beeinflußt wurde.
Es lässt es sich nicht leugnen, dass Tolkiens Terminologie (Rassen, Züchtung) und seine eindeutige Gegenüberstellung guter und böser Rassen den Geist der 1930er und 1940er Jahren widerspiegeln, in denen der "Herr der Ringe" entstand. Damals wurden Theorien wie die Eugenik, "Rassenhygiene" und eine rassistisch determinierte Rassen- und Völkerkunde als Wissenschaft betrieben, und dies nicht allein in faschistischen Staaten. So ließe sich argumentieren, daß sich Tolkien den damals geführten Diskursen nicht gänzlich entziehen konnte und zumindest indirekt durch sie beeinflußt wurde.


Allerdings kann auch die Gegenseite der Tolkien-Befürworter (darunter der Literaturwissenschaftler [[Patrick Curry]]) einige Argumente anführen, um den Rassismus-Vorwurf zu entkräftigen, etwa die Tatsache, dass [[Der Eine Ring]] letztlich nur vernichtet werden kann, in dem [[Menschen]], [[Elben]], [[Hobbits]] und [[Zwerge]] zusammenarbeiten. Gerade die "Gefährten" spiegeln diesen Sachverhalt; hier sind mehrere "Rassen" vereint und kämpfen gemeinsam gegen das Böse.  
Allerdings kann auch die Gegenseite der Tolkien-Befürworter (darunter der Literaturwissenschaftler [[Patrick Curry]]) einige Argumente anführen, um den Rassismus-Vorwurf zu entkräftigen, etwa die Tatsache, dass [[Der Eine Ring]] letztlich nur vernichtet werden kann, in dem [[Menschen]], [[Elben]], [[Hobbits]] und [[Zwerge]] zusammenarbeiten. Gerade die "Gefährten" spiegeln diesen Sachverhalt; hier sind mehrere "Rassen" vereint und kämpfen gemeinsam gegen das Böse.  

Version vom 10. Mai 2006, 15:50 Uhr

Rassismus ist eine ideologische Einstellung, bei der aufgrund äußerlicher Unterschiede zwischen Menschen - etwa der Hautfarbe, dem Körperbau und der Gesichtszüge - eine Wertung vorgenommen wird. Dabei werden die Menschen in verschiedene "Rassen" eingeteilt und zumeist die Höherwertigkeit der eigenen "Rasse" postuliert. Die "Rassentheorie" fand vor allem im ausgehenden 19. Jahrhundert und im 20. Jahrhundert Anklang und infiltrierte Ethnologie, Kulturwissenschaft, Biologie und andere Wissenschaften. Im Nationalsozialismus diente sie als theoretische Grundlage, um Millionen von Menschen zu diffamieren, zu mißhandeln und umzubringen. Die "Rassentheorie" gilt heute als überholt, da sie wissenschaftlich nicht haltbar ist. Der Rassismus indessen hat sich als eine hartnäckige Ideologie erwiesen und führt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen.

Kritikansätze

Einige Kritiker entdecken in Tolkiens Werken, insbesonders in der Trilogie Der Herr der Ringe, rassistische Ansätze, darunter der Literaturwissenschaftler Stephen Shapiro, die Journalisten John Yatt und Michael Jovy und in jüngster Zeit der Fantasyautor China Miéville. Von J.R.R. Tolkien selbst sind jedoch keine rassistischen Äußerungen überliefert; der Vereinnahmung als "arischer Autor" durch den deutschen Verlag Rüttgen & Löning, der 1938 den "Kleinen Hobbit" übersetzen wollte, hat er sich vielmehr ausdrücklich verwehrt.

Dennoch werfen Tolkiens Romane die Frage auf, wieweit er von dem mitunter rassistischen Zeitgeist der 1920er-1940er Jahre unbewußt geprägt wurde. In der Tat teilt Tolkien das Personal seiner Romane in unterschiedliche "Rassen" ein, die sich klar durch äußere Merkmale, aber auch durch innere Charakterzüge unterscheiden. Während die Elben als überirdisch schöne, kulturell hochstehende Wesen beschrieben werden, stehen auf der anderen Seite die Orks als Vertreter eines häßlichen, niederträchtigen und brutalen Volks mit kannibalistischer Veranlagung. Dies erinnert an die klischeehafte Darstellung afrikanischer und indianischer Völker in Reiseberichten aus dem 16.-19. Jahrhundert. Hinzu kommt, daß die Orks letztlich degenerierte Elben sind, die durch "Züchtung" enstanden sind. Auch der "degenerierte Hobbit" Gollum erinnert in seiner Bösartigkeit, Niederträchtigkeit und Unterwürfigkeit sowie seinem "schleimigen Aussehen" an die damals üblichen Karikaturen von als minderwertig erachteten "Rassen" oder Völkern.

Es lässt es sich nicht leugnen, dass Tolkiens Terminologie (Rassen, Züchtung) und seine eindeutige Gegenüberstellung guter und böser Rassen den Geist der 1930er und 1940er Jahren widerspiegeln, in denen der "Herr der Ringe" entstand. Damals wurden Theorien wie die Eugenik, "Rassenhygiene" und eine rassistisch determinierte Rassen- und Völkerkunde als Wissenschaft betrieben, und dies nicht allein in faschistischen Staaten. So ließe sich argumentieren, daß sich Tolkien den damals geführten Diskursen nicht gänzlich entziehen konnte und zumindest indirekt durch sie beeinflußt wurde.

Allerdings kann auch die Gegenseite der Tolkien-Befürworter (darunter der Literaturwissenschaftler Patrick Curry) einige Argumente anführen, um den Rassismus-Vorwurf zu entkräftigen, etwa die Tatsache, dass Der Eine Ring letztlich nur vernichtet werden kann, in dem Menschen, Elben, Hobbits und Zwerge zusammenarbeiten. Gerade die "Gefährten" spiegeln diesen Sachverhalt; hier sind mehrere "Rassen" vereint und kämpfen gemeinsam gegen das Böse.

Aus den genannten Gründen ist es wichtig, die Debatte um rassistische Ansätze in Tolkiens Werk differenziert zu führen. Auf der einen Seite macht man es sich gewiss zu einfach, Tolkien Rassismus vorzuwerfen, gerade vor dem Hintergrund seiner dezidierten Ablehnung der Rassentheorie. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, in welcher Zeit der 'Herr der Ringe' entstand und darf sich einer kritischen Betrachtung des Romans unter diesen Vorzeichen nicht gänzlich verwehren.

Originalzitat

Dear Sirs, Thank you for your letter... I regret that I am not clear as to what you intend by arisch. I am not of Aryan extraction: that is Indo-iranian; as far as I am aware none of my ancestors spoke Hindustani, Persian, Gypsy, or any related dialects. But if I am to understand that you are enquiring whether I am of Jewish origin, I can only reply that I regret that I appear to have no ancestors of that gifted people. My great-great-grandfather came to England in the eighteenth century from Germany: the main part of my descent is therefore purely English, and I am an English subject – which should be sufficient. I have been accustomed nonetheless, to regard my German name with pride, and continued to do so throughout the period of the late regrettable war, in which I served in the English army. I cannot, however forbear to comment that if impertinent and irrelevant inquiries of this sort are to become the rule in matters of literature, then the time is not far distant when a German name will no longer be a source of pride. Your enquiry is doubtless made in order to comply with the laws of your own country, but that this should be held to apply to the subjects of another state would be improper, even if it had (as it has not) any bearing whatsoever on the merits of my work or its suitabilty for publication, of which you appear to have satisfied yourselves without reference to my Abstammung. Quelle: Tolkien, John R. R., The Letters of J.R.R. Tolkien, hg. von Humphrey Carpenter, London: Harper Collins 1981.

Weblinks

Literatur

  • Curry, Patrick: Defending Middle-Earth. Tolkien: Myth and Modernity. New York: St. Martin´s Press 1997.
  • Curry, Patrick: Tolkien and His Critics: A Critique. in: Th. Honegger (Hrsg.): Root and Branch. 1999. 81-148.
  • Rearick, Anderson: Why is the Only Good Orc a Dead Orc? The Dark Face of Racism Examined in Tolkien's World, in: Modern Fiction Studies, Issue 50.4 (2004), S. 861-874.
  • Jovy, Michael: Weiß und blond und blauäugig. Eine Warnung vor Tolkiens 'Der Herr der Ringe', in: Die Zeit, xx. März 1980.
  • Mièville, China: Mittelerde trifft Mittelengland. in: Magira - Jahrbuch zur Fantasy 2003, Marburg 2003, S. 165-170.