Rütten & Loening: Unterschied zwischen den Versionen

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Der Buchverlag '''Rütten & Loening''' wurde 1844 durch den Manufakturwarenhändler Joseph Rütten und den jüdisch stämmigen Zacharias Löwenthal (1857 legte er seinen jüdischen Nachnamen ab und nannte sich Loening) gegründet. Der Verlag hieß  zuerst Literarische Anstalt Frankfurt am Main. Verlegt wurden universalwissenschaftliche und belletristische Werke (u.a. ''Der Struwelpeter'').
 
1848 während der Deutschen Revolution wurde der Verlag zum Verlag linksgerichteter Vertreter der Nationalversammlung. Zwischen 1879 und 1914 führten Rüttens Neffe Gottfried Oswalt und Loenings Sohn Gottfried den Verlag, verlegt wurde zu dieser Zeit vor allem künstlerisches und geschichtliches. Bereits in den 1920er Jahren wurde der nun auf Belletristik spezialisierte Verlag zu einem der bekanntesten Verlage Deutschlands. 1933 zwangen die Nürnberger Rassengesetze die momentanen Geschäftsführer Wilhelm Oswalt und Adolf Neumann den Verlag an den Verleger Albert Hachfeld zu verkaufen. Der nun in Potsdam ansässige Verlag wurde zum Klassikerverlag umgestaltet und gab auch regimetreue und politische Gegenwartsliteratur heraus. Rütten & Loening wurde als „kriegswichtiges Unternehmen“ eingestuft.
 
Nach dem Krieg verlor Albert Hachfeld den Verlag, wegen seiner nationalsozialistischen Aktivitäten. In der DDR wurde Rütten & Loening Teil des Aufbau-Verlags Berlin und Weimar, blieb aber als selbstständiger Verlag bestehen. Nach der Wiedervereinigung wurde Rütten & Loening zu einer Tochtergeselsschaft der Aufbau-Verlag GmbH. 1994 wurde das Verlagsprogramm von Belletristik auf populäre Literatur und Sachbücher umgestellt, seit einigen Jahren publiziert der Verlag vor allem Historien-Romane.
 
== Rütten & Loening und Tolkien ==
 
[[Allen & Unwin]] war Ende der 30er Jahre mit Rütten & Loening in Verhandlungen um eine deutsche Übersetzung des ''[[Der kleine Hobbit|Hobbits]]'' getreten. Rütten & Loening schrieb nun an [[J. R. R. Tolkien]] um ihn zu fragen ob er „arischer Abstammung“ sei. Tolkien schrieb daraufhin an [[Stanley Unwin]] und bezeichnete den Brief als „''ein starkes Stück''“.
 
{{Zitat
|Text=Muss ich mir diese Unverschämtheit wegen meines deutschen Namens bieten lassen, oder müssen nach ihren Wahnsinnsgesetzen alle Menschen aus allen Ländern ein Zeugnis über ihre „arische“ Abstammung beibringen?
|Autor=[[J. R. R. Tolkien]]
|Quelle=aus J. R. R. Tolkien und Humphrey Carpenter (Hrsg.): ''[[Briefe]]''. Brief 29: ''Aus einem Brief an Stanley Unwin''.}}
Tolkien war über die Anfrage so erregt, dass er seinerseits bereit gewesen wäre auf die „''deutsche Übersetzung zu pfeifen''“. Auf jedenfall, schrieb er, lehne er es strikt ab, eine solche Bestätigung seiner Herkunft in gedruckter Form vorzufinden. Zumal er es nicht als Ehre betrachte nichtjüdischer Abstammung zu sein und in keinem Fall dieser „''ganz und gar bösartigen und unwissenschaftlichen Rassenlehre''“ beipflichte.
 
Um die Aussicht für Allen & Unwin auf eine deutsche Veröffentlichung nicht zu gefährden, sandte Tolkien dem Verlag zwei Fassungen einer brieflichen Antwort, damit Allen & Unwin selber entscheiden konnte, welche Antwort sie zu Rütten & Loening nach Deutschland schicken wollten. Bei Allen & Unwin entschied man sich wohl für die deutlich „gemäßigtere“ Fassung, die aber zweifellos Tolkiens Verweigerung einer Erklärung über eine „arische“ Abstammung enthielt.
 
Die andere Fassung hätte wohl zweifelsohne zu einer Ablehnung einer deutschen Übersetzung des ''Hobbits'' von Seiten Rütten & Loenings geführt. Dort erklärt Tolkien zu Beginn den etymologisch Gebrauch des Wortes „arisch“, das nämlich eigentlich Menschen indo-iranischer Herkunft bezeichnet. Tolkien schreibt weiter, dass er tatsächlich nichtjüdischer Abstammung sei, es aber bedaure „''offenbar keine Vorfahren aus diesem begabten Volke zu haben.''“ Tolkien stellt nocheinmal heraus, dass er englischer Staatsbürger sei und solcherlei unverschämte und unnötigen Anfragen in der Literatur keinen Platz hätten.
 
{{Zitat
|Text=Ihre Anfrage verfolgt sicherlich den Zweck, den Gesetzen ihres Landes zu genügen; dass diese aber auch für die Bürger eines anderen Staates gelten sollen, wäre selbst dann ungehörig, wenn es (was nicht der Fall ist) irgendeinen Einfluss auf die Qualitäten meines Werkes oder seine Eignung für die Veröffentlichung hätte, von der Sie sich anscheinend ohne Rücksicht auf meine „Abstammung“ überzeugt haben.
|Autor=[[J. R. R. Tolkien]]
|Quelle=aus J. R. R. Tolkien und Humphrey Carpenter (Hrsg.): ''[[Briefe]]''. Brief 30: ''An den Verlag Rütten & Loening''.}}
Ein Vertrag über die deutsche Übersetzung zwischen Allen & Unwin und Rütten & Loening kam tatsächlich nicht zustande. Erst 1957 erwarb der Recklinghausener Paulus-Verlag die Rechte an der deutschen Buchveröffentlichung. [[Walter Scherf]] war für die Übersetzung zuständig, während der Wolfsburger Künstler [[Horus Engels]] die deutsche Erstausgabe illustrierte.
 
== Quellen ==
 
* [http://www.aufbauverlag.de/index.php4?page=58&& Rütten & Loening Verlagsgeschichte]
* J. R. R. Tolkien: ''[[Briefe]]''. Herausgegeben von [[Humphrey Carpenter]].
** ''Brief #29'' und ''Brief #30''.
 
[[Kategorie:Verlage]]

Aktuelle Version vom 27. Mai 2012, 16:11 Uhr

Der Buchverlag Rütten & Loening wurde 1844 durch den Manufakturwarenhändler Joseph Rütten und den jüdisch stämmigen Zacharias Löwenthal (1857 legte er seinen jüdischen Nachnamen ab und nannte sich Loening) gegründet. Der Verlag hieß zuerst Literarische Anstalt Frankfurt am Main. Verlegt wurden universalwissenschaftliche und belletristische Werke (u.a. Der Struwelpeter).

1848 während der Deutschen Revolution wurde der Verlag zum Verlag linksgerichteter Vertreter der Nationalversammlung. Zwischen 1879 und 1914 führten Rüttens Neffe Gottfried Oswalt und Loenings Sohn Gottfried den Verlag, verlegt wurde zu dieser Zeit vor allem künstlerisches und geschichtliches. Bereits in den 1920er Jahren wurde der nun auf Belletristik spezialisierte Verlag zu einem der bekanntesten Verlage Deutschlands. 1933 zwangen die Nürnberger Rassengesetze die momentanen Geschäftsführer Wilhelm Oswalt und Adolf Neumann den Verlag an den Verleger Albert Hachfeld zu verkaufen. Der nun in Potsdam ansässige Verlag wurde zum Klassikerverlag umgestaltet und gab auch regimetreue und politische Gegenwartsliteratur heraus. Rütten & Loening wurde als „kriegswichtiges Unternehmen“ eingestuft.

Nach dem Krieg verlor Albert Hachfeld den Verlag, wegen seiner nationalsozialistischen Aktivitäten. In der DDR wurde Rütten & Loening Teil des Aufbau-Verlags Berlin und Weimar, blieb aber als selbstständiger Verlag bestehen. Nach der Wiedervereinigung wurde Rütten & Loening zu einer Tochtergeselsschaft der Aufbau-Verlag GmbH. 1994 wurde das Verlagsprogramm von Belletristik auf populäre Literatur und Sachbücher umgestellt, seit einigen Jahren publiziert der Verlag vor allem Historien-Romane.

Rütten & Loening und Tolkien

Allen & Unwin war Ende der 30er Jahre mit Rütten & Loening in Verhandlungen um eine deutsche Übersetzung des Hobbits getreten. Rütten & Loening schrieb nun an J. R. R. Tolkien um ihn zu fragen ob er „arischer Abstammung“ sei. Tolkien schrieb daraufhin an Stanley Unwin und bezeichnete den Brief als „ein starkes Stück“.

Muss ich mir diese Unverschämtheit wegen meines deutschen Namens bieten lassen, oder müssen nach ihren Wahnsinnsgesetzen alle Menschen aus allen Ländern ein Zeugnis über ihre „arische“ Abstammung beibringen?

—” J. R. R. Tolkien: aus J. R. R. Tolkien und Humphrey Carpenter (Hrsg.): Briefe. Brief 29: Aus einem Brief an Stanley Unwin.

Tolkien war über die Anfrage so erregt, dass er seinerseits bereit gewesen wäre auf die „deutsche Übersetzung zu pfeifen“. Auf jedenfall, schrieb er, lehne er es strikt ab, eine solche Bestätigung seiner Herkunft in gedruckter Form vorzufinden. Zumal er es nicht als Ehre betrachte nichtjüdischer Abstammung zu sein und in keinem Fall dieser „ganz und gar bösartigen und unwissenschaftlichen Rassenlehre“ beipflichte.

Um die Aussicht für Allen & Unwin auf eine deutsche Veröffentlichung nicht zu gefährden, sandte Tolkien dem Verlag zwei Fassungen einer brieflichen Antwort, damit Allen & Unwin selber entscheiden konnte, welche Antwort sie zu Rütten & Loening nach Deutschland schicken wollten. Bei Allen & Unwin entschied man sich wohl für die deutlich „gemäßigtere“ Fassung, die aber zweifellos Tolkiens Verweigerung einer Erklärung über eine „arische“ Abstammung enthielt.

Die andere Fassung hätte wohl zweifelsohne zu einer Ablehnung einer deutschen Übersetzung des Hobbits von Seiten Rütten & Loenings geführt. Dort erklärt Tolkien zu Beginn den etymologisch Gebrauch des Wortes „arisch“, das nämlich eigentlich Menschen indo-iranischer Herkunft bezeichnet. Tolkien schreibt weiter, dass er tatsächlich nichtjüdischer Abstammung sei, es aber bedaure „offenbar keine Vorfahren aus diesem begabten Volke zu haben.“ Tolkien stellt nocheinmal heraus, dass er englischer Staatsbürger sei und solcherlei unverschämte und unnötigen Anfragen in der Literatur keinen Platz hätten.

Ihre Anfrage verfolgt sicherlich den Zweck, den Gesetzen ihres Landes zu genügen; dass diese aber auch für die Bürger eines anderen Staates gelten sollen, wäre selbst dann ungehörig, wenn es (was nicht der Fall ist) irgendeinen Einfluss auf die Qualitäten meines Werkes oder seine Eignung für die Veröffentlichung hätte, von der Sie sich anscheinend ohne Rücksicht auf meine „Abstammung“ überzeugt haben.

—” J. R. R. Tolkien: aus J. R. R. Tolkien und Humphrey Carpenter (Hrsg.): Briefe. Brief 30: An den Verlag Rütten & Loening.

Ein Vertrag über die deutsche Übersetzung zwischen Allen & Unwin und Rütten & Loening kam tatsächlich nicht zustande. Erst 1957 erwarb der Recklinghausener Paulus-Verlag die Rechte an der deutschen Buchveröffentlichung. Walter Scherf war für die Übersetzung zuständig, während der Wolfsburger Künstler Horus Engels die deutsche Erstausgabe illustrierte.

Quellen