Tom geht rudern: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 25. Januar 2021, 13:17 Uhr

Tom geht rudern (im Original: Bombadil Goes Boating) ist ein Gedicht von J. R. R. Tolkien über die Abenteuer Tom Bombadils bei einem Ruderausflug ins Auenland.

Die Originalversion wurde von Tolkien 1962 in der Gedichtsammlung The Adventures of Tom Bombadil and other verses from The Red Book veröffentlicht. Eine von Ebba-Margareta von Freymann erstellte deutsche Übersetzung dieser Gedichte erschien 1984 unter dem Titel Die Abenteuer des Tom Bombadil und andere Gedichte aus dem Roten Buch.

Tom Bombadil, gezeichnet von Anke Eißmann

Entstehung

Tolkiens Tante Jane Neave schlug ihm im Herbst 1961 vor, ein kleines Buch über Tom Bombadil herauszubringen. Er nahm den Vorschlag auf, sah sich jedoch nicht dazu in der Lage, etwas neues über die Figur zu schreiben. Stattdessen dachte er daran, ein Gedicht über Bombadil, das 1934 im Oxford Magazine erschienen war, The Adventures of Tom Bombadil (deutsch: Die Abenteuer des Tom Bambadil), von Pauline Baynes illustrieren zu lassen, und es so als kleines Büchlein zu veröffentlichen. Sein Verleger Rayner Unwin warb dafür, das illustrierte Gedicht zusammen mit anderen Versen herauszugeben, so dass ein eigenständiges Buch zusammenkäme. Tolkien war einverstanden und schickte dem Verlag verschiedene Arbeiten. Dabei handelte es sich hauptsächlich um überarbeitete Fassungen von Dichtungen, die bereits zuvor in verschiedenen Publikationen veröffentlicht worden waren. Mit Bombadil Goes Boating (Tom geht rudern) schrieb Tolkien jedoch auch ein neues Gedicht über Tom Bombadil, über dessen Fertigstellung Tolkien seinen Verleger in einem Brief vom 12. April 1962 informierte.

Inhalt

Das Gedicht Tom geht rudern handelt davon, wie Tom Bombadil eine Bootsfahrt unternimmt, um seinen Freund Maggot zu besuchen, einen Hobbit aus dem Auenland. Unterwegs begegnet er in kurzen Episoden einigen Bekannten, nämlich einem Zaunkönig (willow-wren), einem Eisvogel (kingfisher), einem Otter, einem Schwan und schließlich einigen Hobbits, mit denen er sich jeweils humorvolle Wortgefechte liefert. Der Ton dieser Unterhaltungen ist recht ruppig, aber nicht feindselig. Beispielsweise kündigt der Zaunkönig an, dem Alten Weidenmann, einem aus dem Herrn der Ringe bekannten bösen Baum, zu verraten, dass sich Bombadil auf den Weg macht. Darauf reagiert Bombadil mit der erkennbar nicht ernst gemeinten Drohung, den Vogel rösten und essen zu wollen.

In der Begebenheit mit dem Eisvogel erfährt man, wie Bombadil zu der blauen Feder an seinem Hut kommt, die Frodo Beutlin bei ihrer im Herrn der Ringe beschriebenen Begegnung sieht, als dieser mit dem Einen Ring auf seiner Wanderung aus dem Auenland ist. Die Handlung des Gedichtes spielt also vor der des Herrn der Ringe, gegen Ende des Dritten Zeitalters.

Tolkien erläutert seinem Verleger im oben erwähnten Brief vom 12. April 1962, das Gedicht diene dazu, Tom Bombadil besser in die Welt des Herrn der Ringe einzupassen. In einem Briefentwurf an Peter Hastings stellt er klar, dass er Bombadil unabhängig von seiner Mythologie von Arda erfunden hatte. In gedruckter Form taucht er zum ersten mal in dem bereits genannten Gedicht Die Abenteuer des Tom Bombadil auf. In den Herrn der Ringe habe er ihn eingefügt, weil er die Hobbits um Frodo Beutlin auf ihrer Reise ein Abenteuer erleben lassen wollte.

Fiktive Überlieferung

In seinem Vorwort zur Sammlung Die Abenteuer des Tom Bombadil erzeugt Tolkien die Fiktion, die Gedichte stammten aus dem ursprünglich von Bilbo Beutlin angelegten Roten Buch der Westmark, er sei nur der Herausgeber. Die Gedichte seien also nicht von ihm, sondern von Hobbits verfasst worden. Die genaue Kenntnis der Geographie des Ostens des Auenlandes deute darauf hin, dass Tom geht rudern im Bockland entstanden sei. Das Gedicht basiere wohl auf unter den Hobbits verbreiteten Legenden über Tom Bombadil. Der „Autor“ des Gedichtes wird nicht genannt, das in Westron verfasste „Original“ ist nicht überliefert.

Form

Im Original besteht das Gedicht aus 160 Versen, die in unregelmäßige Abschnitte von 2 bis 10 Versen eingeteilt sind. In der deutschen Übertragung umfasst es 190 Verse in Abschnitten von 2 bis 14 Versen.

Versmaß

Original

Durch eine Zäsur werden die Verse in Halbverse von fünf bis sieben Silben eingeteilt. Der erste Halbvers besteht meist aus drei oder vier betonten und zwei oder drei unbetonten Silben, die sich abwechseln. Halbverse mit vier Hebungen beginnen und enden dabei mit betonten Silben, die zweite und die dritte Betonung folgen häufig direkt aufeinander. Halbverse mit drei Hebungen beginnen meist mit einer unbetonten Silbe und enden stets auf eine betonte. Der zweite Halbvers hat drei betonte und drei oder vier unbetonte Silben, die sich jeweils abwechseln. Er beginnt meist mit einer betonten Silbe und endet immer auf eine unbetonte.

Beispiele (Zeilen 21 und 22):

He shaved oars, patched his boat; | from hidden creek he hauled her
through reed and sallow-brake, | under leaning alder,

Deutsche Übersetzung

Auch in der deutschen Übertragung sind die Verse durch eine Zäsur in zwei Halbverse eingeteilt. Der erste Halbvers hat vier betonte Silben, zwischen denen in der Regel je eine unbetonte Silbe steht. Er beginnt und endet regelmäßig mit einer betonten Silbe. Der zweite Halbvers besteht aus drei betonten Silben und drei oder vier unbetonten Silben, die sich abwechseln. Er beginnt mal mit einer betonten Silbe, mal mit einer unbetonten, und endet stets mit einer unbetonten. Im Vergleich zum Original sind die Verse im Durchschnitt ein bis zwei Silben länger.

Beispiele (Zeilen 4 und 5):

Faß die Chance gleich beim Schopf, | ja, gerade diese!
Später’ ist als Schelm bekannt, | – ich hole meinen Kahn her,

Reim

Das Gedicht besteht sowohl im englischen Original als auch in der deutschen Übertragung aus Paarreimen, es reimen sich also immer zwei aufeinanderfolgende Verse, das Reimschema ist demnach aa bb cc usw.

Das Original und die Übersetzung verwenden sogenannte weibliche oder klingende Reime, d. h. beide Zeilen enden auf je zwei reimende Silben; die erste ist betont, die zweite unbetont. Beispiel (Zeilen 1/2): callingfalling und in der Übersetzung wiedernieder.

In manchen Fällen handelt es sich um unreine Reime, die Lautfolge der Reimsilben stimmen nicht ganz überein. Beispiel aus der deutschen Fassung (Zeilen 49/50): spähtedrehte. Im Original kommen insbesondere Assoanzen vor, es stimmen also nur die Vokale überein, nicht die Konsonanten. Beispiel (Zeilen 101/102): greet himmeeting.

Ab und an benutzt Tolkien auch erweiterte Reime, er ergänzt das Reimwort durch ebenfalls reimende Satzpartikel. Beispiel (Zeilen 115/116): for wheezingmore pleasing.

Im Original kommen mehrfach gespaltene Reime vor, also Reime, bei denen sich mindestens eines der Reimglieder auf mehrere Worte erstreckt. Beispiel (Zeilen 91/92): beard offafeard of.

Illustrationen

Für die Sammlung The Adventures of Tom Bombadil and other verses from the Red Book illustrierte auf Vorschlag von Tolkien Pauline Baynes die Gedichte. Baynes hatte bereits die Bilder für Tolkiens 1949 erschienene Buch Farmer Giles of Ham (deutsch: Bauer Giles von Ham) geliefert und zeichnete auch später für seine Werke wie Der Schmied von Großholzingen und Bilbos Abschiedslied in den grauen Häfen.

Für Tom geht rudern schuf Baynes drei Bilder. Auf dem größten sind vermutlich Tom Bombadil, Bauer Maggot, dessen Frau, sowie zwei Söhne und zwei Töchter und fünf von Maggots Hunden zu sehen, die in Maggots Haus feiern, tanzen und trinken, wie es in den Zeilen 127–132 des Originals und den Zeilen 148–156 der deutschen Fassung beschrieben wird. In einer kleinen Skizze zeigt Baynes die Szene, wie der Schwan Bombadils Boot zieht, umgeben von zwei Ottern und einem Vogel (siehe Zeilen 151–160 bzw. 177–185). Weiterhin wird die Überschrift des Gedichts von Zweigen umrankt, auf denen ein Vogel sitzt.

In der deutschen Übersetzung der Gedichtsammlung, Die Abenteuer des Tom Bombadil und andere Gedichte aus dem Roten Buch, sind die Bilder von Pauline Baynes nicht enthalten. Dafür sieht man im Inhaltsverzeichnis eine Zeichung von Bombadils Hut, der von drei Pfeilen durchbohrt ist (Zeile 92 bzw. Zeile 118); der Künstler wird nicht genannt.

Übersetzungen

Als Teil der Sammlung The Adventures of Tom Bombadil and other verses from The Red Book wurde Bombadil Goes Boating in verschiedene Sprachen übersetzt. Neben der Übertragung ins Deutsche existieren solche ins Dänische, Französische, Hebräische, Italienische, Japanische, Niederländische, Polnische, Portugiesische, Russische, Schwedische, Spanische und Tschechische.[1]

Literarische Anspielungen

In Briefen an Rayner Unwin und Pauline Baynes weist Tolkien auf mehrere im Gedicht enthaltene literarische Anspielungen hin.

Vulgar Errors

In den Zeilen 41/42 sagt Bombadil zum Eisvogel:

I’ve heard of fisher-birds beak in air a-dangling / to show how the wind is set: that’s an end of angling!
(in etwa: Ich hab von Fischer-Vögeln gehört, die mit dem Schnabel in der Höhe baumelten, um die Windrichtung anzuzeigen: das ist ein Ende des Angelns! In der deutschen Fassung wird dieser Teil der Unterhaltung anders wiedergegeben (Zeilen 47/48): Den Schnabel trägst du viel zu hoch und drehst ihn nach dem Winde, / Das wird wohl noch dein Ende sein. Mach fort, und zwar geschwinde!)

Diese Bemerkung weist auf den Volksglauben hin, ein am Schnabel aufgehängter toter Eisvogel zeige mit seiner Brust stets in die Richtung, aus welcher der Wind komme, den Thomas Browne im 17. Jahrhundert in seinem Buch Pseudodoxia Epidemica, or, Enquiries into Very many Received Tenets, and commonly Presumed Truths (auch bekannt als Vulgar Errors „Verbreitete Irrtümer“) dokumentierte.

Völsunga-Saga

In den Zeilen 59–61 droht Bombadil dem Otter:

I’ll give your otter-fell to Barrow-wights. They’ll taw you! / Then smother you in gold-rings! Your mother if she saw you, / she’d never know her son, unless ’twas by a whisker.
(in etwa: Ich gebe dein Otterfell den Grabwichten. Die werden dich häuten und dann mit Goldringen bedecken! Selbst deine Mutter würde dich nicht mehr erkennen, es sei denn an einem Barthaar. In der deutschen Fassung, Zeilen 69–72: Ich vermach dein Otterfell den armen Gräbergäuchen, / Die werden dich schon Mores lehren, die mit ihren Bräuchen! / Selbst deine Mutter würde dich hernach nicht mehr erkennen, / Es wäre denn am Schnurrbarthaar und dem gewohnten Flennen!)

Das ist eine Anspielung auf eine Episode aus der altnordischen/germanischen Mythologie. In der Völsunga-Saga und der Edda wird berichtet, wie Otr, der die Gestalt eines Otters annehmen kann, von Loki erschlagen wird. Als Wergeld verlangt Otrs Vater Hreidmar, dass Loki das Otterfell vollständig mit Gold füllt und von außen bedeckt. Loki nimmt daraufhin dem Zwerg Andvari dessen Goldschatz und einen magischen Goldring ab. Loki tut mit dem Gold was Hreidmar verlangt, behält den Ring aber zunächst zurück. Da jedoch Hreidmar noch immer ein Barthaar des Otters sehen kann, muss Loki auch den von Andvari verfluchten Ring aufgeben.

Ancrene Wisse

Eine Zeile des Gedichts stammt aus dem mittelenglischen Text Ancrene Wisse, mit dem Tolkien sich in seiner akademischen Karriere mehrfach befasst hat. Nach mehrjähriger Arbeit erschien im Dezember 1962, also nur einige Monate nach der Fertigstellung des Gedichts, eine von ihm herausgegebene wissenschaftliche Ausgabe des Textes.

In Zeile 138 von Bombadil Goes Boating heißt es:

queer tales from Bree, and talk at smithy, mill, and cheaping
(in etwa: seltsame Geschichten aus Bree, und Gerede aus der Schmiede, der Mühle und dem Markt; in der deutschen Fassung, Zeilen 175–177: was zwischen Hügelhaus und Bruch und Bree so vorgekommen. In Schmieden wurde viel erzählt, gemunkelt in den Mühlen).

Dieser Vers basiert auf dem folgenden aus der Ancrene Wisse:

From mulne ant from chepinge, from smiððe ant from ancre hus me tidinge bringeð.
(zitiert nach Briefe. Nr. 237. Anmerkung 2; ungefähr: Von der Mühle und vom Markt, von der Schmiede und vom Ankerhaus hört man die Neuigkeiten.)

Anmerkungen

  1. Die Aufzählung der Übersetzungen stützt sich überwiegend auf die Angaben in der von Wayne G. Hammond zusammengestellten Bibliographie; sie wurden teilweise nicht selbst gesehen.

Quellen

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