Wolfgang Krege: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 25. Januar 2021, 16:43 Uhr

J. R. R. Tolkien: Das Silmarillion in der Übersetzung Wolfgang Kreges (1978).

Wolfgang Krege, geboren am 1. Februar 1939 in Berlin, gestorben am 13. April 2005 in Stuttgart,[1] war ein deutscher Übersetzer, Redakteur, Werbetexter, Lektor und Schriftsteller. Er zählte neben Margaret Carroux und Hans J. Schütz zum „Dreigestirn der großen deutschen Tolkien-Übersetzer“[1].

Wolfgang Krege wuchs in Berlin auf und begann Anfang der sechziger Jahre sein Philosophiestudium an der Freien Universität Berlin. Er arbeitete als Lexikonredakteur, Werbetexter und Verlagslektor. Seit 1970 war er auch als Übersetzer tätig, unter anderem für den Klett-Cotta Verlag, Diogenes, Haffmans, Heyne und den Unionsverlag. Anfang der siebziger Jahre las er dann zum ersten Mal J. R. R. Tolkiens Der Herr der Ringe.[1]

Er übersetzte unter anderem Werke von Autoren wie Anthony Burgess, E. Annie Proulx, Amélie Nothomb, Joseph Conrad, William Goldman und vielen anderen. Krege ging bei seinen Übertragungen häufig nach einer freieren, weniger streng an den originalen Wortlaut des Textes gebundenen Übersetzungspraktik vor:

Was ich nicht mag, ist die Furcht, vom Wortlaut abzuweichen, um den Sinn und die Sprachebene des Originals zu treffen. Manchmal muss sich der Übersetzer zu einem Risiko durchringen.

—” Wolfgang Krege: Stuttgarter Zeitung vom 16. Dezember 2003.

Als Übersetzer wurde Wolfgang Krege vor allem durch die deutsche Übersetzung von J. R. R. Tolkiens mythologischem Werk Das Silmarillion von 1978 bekannt. In der Folge übersetzte er den Großteil der weiteren Tolkien-Publikationen, wie etwa Über Märchen (1982), Beowulf: Die Ungeheuer und ihre Kritiker (1984) und Sir Gawain und der Grüne Ritter (1987). Auch die bekannte Tolkiensche Briefsammlung, die von Humphrey Carpenter bearbeitet und veröffentlicht wurde, wurde von Wolfgang Krege übersetzt (Briefe, 1991), wie auch Carpenters Biographie des Autors (J. R. R. Tolkien: Eine Biographie, 1979).

Erst 19 Jahre später erschien mit seiner Neuübersetzung von Der Hobbit (1997) erneut eine Übersetzung eines Tolkien-Romans von seiner Hand. Hier sind erstmals alle Lieder und Gedichte, sowie das Vorwort vollständig übersetzt und enthalten. Alle Namen wurden darin an die Übersetzungen im Der Herr der Ringe angeglichen. Wenn auch verschiedene Namensveränderungen, wie bei den Trollen und verschiedene, zu modern wirkende Bezeichnungen, wie etwa „Hurrikan“[2] auftauchen, wurde die Übersetzung doch allgemein als gelungen betrachtet.[3] Eine überarbeitete und verbesserte Ausgabe der Hobbit-Übersetzung Wolfgang Kreges erschien 2009. Eine weitere Neuausgabe, die Verbesserungen in der Prosa durch Joachim Kalka enthält, wurde 2012 veröffentlicht.[4]

Als Schriftsteller schrieb Herr Krege in erster Linie dokumentarische oder sprachwissenschaftliche Werke mit Bezug zu J. R. R. Tolkiens Werken. Bei Klett-Cotta erschienen sein Nachschlagewerk Handbuch der Weisen von Mittelerde (1996) und sein Elbisches Wörterbuch (2003), welches er nach den Aufzeichnungen J. R. R. Tolkiens zusammenstellte.

Wolfgang Krege war bis zu seinem Tod mit der deutschen Redakteurin und Übersetzerin Roswith Krege-Mayer (*1937) verheiratet.[1]

Der Herr der Ringe in neuer Übersetzung

Die Neuübersetzung des Herrn der Ringe in der ersten grünen Taschenbuchausgabe (2000).

Nachdem der Klett-Cotta Verlag bereits lange zuvor eine Neuübersetzung des Herrn der Ringe geplant hatte, wurde durch Wolfgang Krege eine neue deutsche Übersetzung von J. R. R. Tolkiens Roman angefertigt, die erstmals im Jahr 2000 erschien. Ausschlaggebend für die Wahl Herrn Kreges als Übersetzer, soll dabei, laut eigener Aussage, die wohlwollende Aufnahme seiner Der-Hobbit-Übersetzung in der Öffentlichkeit gewesen sein.[3] Im Gegensatz zu Wolfgang Kreges deutschen Übertragungen des Silmarillion oder des Hobbit ist die Neuübersetzung des Herr der Ringe stark umstritten und löste nach seiner Veröffentlichung ein großes medielles Echo aus, das nicht nur in Zeitungen und im Radio, sondern auch in Internetforen in mehr oder weniger professioneller Form aufgenommen und kommentiert wurde. Innerhalb des öffentlichen Meinungsbildes standen sich dabei Befürworter und Kritiker der Übersetzung gegenüber. Besonders die polemischen und stellenweise feindseligen Reaktionen, die sich von Seiten einiger Kritiker, darunter auch langjährige Fans der Werke J. R. R. Tolkiens, gegen den Klett-Cotta Verlag und auch Herrn Krege richteten, waren für die damals zuständige Lektorin Ulrike Killer nicht nachvollziehbar. Diese hatte in der neuen deutsche Übertragung im besonderen eine Chance gesehen, im Hinblick auf die damals in der Produktion befindliche Der-Herr-der-Ringe-Filmtrilogie (2001–2003) neue Leser zu gewinnen. Desweiteren sah sie die bereits zwischen 1969 und 1970 erschienene deutsche Der-Herr-der-Ringe-Übersetzung von Margaret Carroux und Ebba-Margareta von Freymann als zu gleichtönend und veraltet an.[5]

Wolfgang Krege hatte seiner Übersetzung des Herr der Ringe vor der Veröffentlichung ein Nachwort beigefügt, in welchem er sein Vorgehen erklärte und gab darin auch die für ihn bedeutendste Antwort auf die Frage nach der Notwendigkeit einer neuen Übersetzung des Romans:

Die alte Fassung ist eine getreue Nacherzählung einer fremden Geschichte. Sie gibt den englischen Text im Allgemeinen zuverlässig wieder; doch der Ton klingt neutral und gedämpft, als käme er über Mikrofon aus der gläsernen Kabine eines Dolmetschers.

—” Wolfgang Krege (im September 1999): Der Herr der Ringe. Zur neuen Übersetzung.

Die überarbeitete Neuübersetzung des Herrn der Ringe in der neuen grünen Taschenbuchausgabe (2012).

Ziel Wolfgang Kreges war es, zum einen die von Tolkien im Originaltext verwendeten, sich voneinander unterscheidenden und vielfältigen Sprachebenen der Charaktere auch im Deutschen wiederzugeben. Ein gutes Beispiel ist hier zum Beispiel der Begriff jools, ein englisches Slangwort für jewels. Während Margaret Carroux das Wort einfach mit „Edelsteine“ übersetzte, verwendet Herr Krege hier das umgangssprachliche deutsche Wort „Klunker“[6] als Übersetzung, welches dem Original näher kommt. Trotz dieses nachvollziehbaren Vorgehens mangelt es an der kontinuierlichen Fortführung dieser Herangehensweise. So charakterisierte Wolfgang Krege die Hobbits als einfach und bäuerlich, indem er sich dafür entschied, ihnen vor allem Wörter der Umgangssprache in den Mund zu legen, ließ dann jedoch beispielsweise die Figur des Samweis Gamdschie, den J. R. R. Tolkien als Gärtner aus einfachen Verhältnissen schildert, von einem „trockenen Tann“[7] statt einem trockenen Stück Tannenwald sprechen.[8] Auch die Modernisierung der Anrede der Romanfiguren untereinander gilt als Kritkpunkt. So verwendete Wolfgang Krege konsequent, statt des klassischen „Ihr“ das zeitgenössische „Sie“. Im Bezug auf die auenländische Gesellschaft, die Tolkien zu Beginn von Die Gefährten porträtiert, und die das britische Bürgertum am Ende des 19. Jahrhunderts in liebevoller Verklärtheit darstellen soll, ist das Siezen von diesem Standpunkt aus richtig und nachvollziehbar verwendet worden. Sobald sich jedoch die Romanhandlung innerhalb des Kulturkreises anderer Völker wie den Rohirrim und Gondorern bewegt, deren Gesellschaft im weitesten Sinne noch als „mittelalterlich“ dargestellt ist, wirkt das Siezen hingegen, zum Beispiel in der Anrede eines Truchsess’ oder eines Königs, eher unpassend.[8]

Auch einige von Herrn Krege in seiner Übersetzung verwendete Ausdrücke wurden kritisiert. So habe er, was bei dem sich selber gesetzten Anspruch, die verschiedenen sprachlichen Besonderheiten des englischen Originals auch im Deutschen zu imitieren, zu erwarten gewesen wäre, nicht das Deutsch der neunzehnhundertvierziger Jahre, also der Entstehungszeit des Lord of the Rings, sondern das der neunzehnhundertneunziger Jahre zu Grunde gelegt. Er erklärte dies jedoch bereits in seinem Nachwort:

Die neue Fassung maßt sich einen Versuch an, die Geschichte so vorzutragen, wie Tolkien es tun würde, wenn er heute, 1999, schriebe und wenn er sie aus dem Westron direkt ins Deutsche brächte, ohne den Umweg über das Englische.

—” Wolfgang Krege (im September 1999): Der Herr der Ringe. Zur neuen Übersetzung.

Dieses Vorgehen fällt unter anderem bei der vielkritisierten Anrede Frodo Beutlins von Sams Seite auf. Im Original spricht Sam immer von Master oder Master Frodo und gibt damit das distanzierte und respektvolle Verhältnis eines einfachen Gärtners zu seinem Herrn wieder.[8] Frau Carroux übersetzte hier mit „Herr“, während Wolfgang Krege die neuere Bezeichnung „Chef“ verwendet.[9]

Wolfgang Krege behielt die Übersetzungen der Lieder und Gedichte durch Ebba-Margareta von Freymann bis auf kleinere Änderungen größtenteils bei.

Sowohl in den Medien wie auch unter Tolkien-Fans bleibt diese Neuübersetzung viel diskutiert. Beispielsweise nennen die Befürworter dieser Neuübersetzung sie „vital, keck, flüssig differenziert und immer im richtigen Ton.“[10] Kritiker der Neuübersetzung geben jedoch folgendes zu bedenken:

Sein Ziel, bestimmten Figuren ein zeitgemäßes Deutsch in den Mund zu legen, ist legitim. Doch anstatt manche Dialoge behutsam zu modernisieren, peppt er sie mit Trendausdrücken auf, die in wenigen Jahren Patina angesetzt haben werden, sofern das nicht jetzt schon der Fall ist. Charaktere werden mit „Chef“, einmal sogar mit „Chefchen“, angeredet, als „Penner“ beschimpft oder mit „Dalli Dalli“ angefeuert. Der Verzicht auf die „Ihr“-Form in der Anrede hat die irritierende Wirkung, dass sich die Personen der tolkienschen Sagenwelt plötzlich siezen.

—” Rüdiger Sturm: Spiegel Online, Dalli Dalli in Mittelerde vom 03.11.2000. (abgerufen am 29.03.2014)

Wolfgang Krege äußerte dazu:

Ich lebe besser mit der Kritik, als wenn meine Übersetzung völlig bedeutungslos geblieben wäre.

—” Lisa Kuppler: Wolfgang Krege. 1.2.1939-13.4.2005. Ein Nachruf, in: Der Flammifer von Westernis Nr. 24 (1/2005).

2012 erschien eine von Lisa Kuppler überarbeitete Version von Wolfgang Kreges Übersetzung von Der Herr der Ringe. Frau Kuppler behielt dabei Kreges Stil bei der Überarbeitung bei und korrigierte vornehmlich orthographische Fehler.

Übersetzungen (Auswahl)

  • J. R. R. Tolkien: Das Silmarillion. Herausgegeben von Christopher Tolkien, Klett-Cotta, Stuttgart 1978.
  • Humphrey Carpenter: J. R. R. Tolkien: Eine Biographie, Klett-Cotta, Stuttgart 1979.
  • J. R. R. Tolkien: Über Märchen. Erstmals erschienen in dem Sammelband Baum und Blatt, Klett-Cotta, Stuttgart 1982.
  • J. R. R. Tolkien: Ein heimliches Laster. Erstmals erschienen in dem Sammelband Gute Drachen sind rar, Klett-Cotta, Stuttgart 1984.
  • J. R. R. Tolkien: Beowulf: Die Ungeheuer und ihre Kritiker und Zur Übersetzung des Beowulf. Erstmals erschienen in dem Sammelband Gute Drachen sind rar, Klett-Cotta, Stuttgart 1984.
  • J. R. R. Tolkien: Rede zum Abschied von der Universität Oxford. Erstmals erschienen in dem Sammelband Die Ungeheuer und ihre Kritiker, Klett-Cotta, Stuttgart 1987.
  • J. R. R. Tolkien: Sir Gawain und der Grüne Ritter. Erstmals erschienen in dem Sammelband Die Ungeheuer und ihre Kritiker, Klett-Cotta, Stuttgart 1987. 2004 als Sir Gawain und der Grüne Ritter mit einem Essay von J. R. R. Tolkien als eigenständige Publikation veröffentlicht, als Co-Übersetzer wird in dieser Ausgabe Hans J. Schütz angegeben.
  • J. R. R. Tolkien: Briefe. Herausgegeben von Humphrey Carpenter, Klett-Cotta, Stuttgart 1991.
  • J. R. R. Tolkien: Der Hobbit oder Hin und zurück, Klett-Cotta, Stuttgart 1997.
  • J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe, Klett-Cotta, Stuttgart 2000.
  • Tom Shippey: J. R. R. Tolkien: Autor des Jahrhunderts, Klett-Cotta, Stuttgart 2002.

  • Die Brautprinzessin: S. Morgensterns klassische Erzählung von wahrer Liebe und edlen Abenteuern. Gekürzt und bearbeitet von William Goldmann, Klett-Cotta, Stuttgart 1982.
  • Amélie Nothomb: Die Reinheit des Mörders, Diogenes Verlag, Zürich 1993.
  • Shirley Jackson: Spuk in Hill House, Diogenes Verlag, Zürich 1993.
  • Joseph Conrad: Der Bimbo von der „Narcissus", Haffmans, Zürich 1994.
  • E. Annie Proulx: Das grüne Akkordeon, Diana Verlag, München 1996.
  • James Hamilton-Paterson: Drei Meilen tief, Klett-Cotta, Stuttgart 1998.
  • Anthony Burgess: Die Uhrwerk-Orange, Klett-Cotta, Stuttgart 1999.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Lisa Kuppler: Wolfgang Krege. 1.2.1939-13.4.2005. Ein Nachruf, in: Der Flammifer von Westernis Nr. 24 (1/2005).
  2. J. R. R. Tolkien: Der Hobbit. Kapitel XIV: Feuer und Wasser.
  3. 3,0 3,1 Radiointerview mit Wolfgang Krege und Hans-Jörg Modlmayr auf WDR 5 (gesendet am 10.12.2001) im Archiv der Deutschen Tolkien Gesellschaft e. V. (abgerufen am 09.08.2014).
  4. J. R. R. Tolkien: Das Große Hobbit-Buch. Der komplette Text mit Kommentaren und Bildern. Herausgegeben von Douglas A. Anderson, übersetzt und überarbeitet von Lisa Kuppler, S. 408.
  5. Rüdiger Sturm: Neue Tolkien-Übersetzung: Dalli Dalli in Mittelerde, Spiegel-Online-Artikel vom 03.11.2000 (abgerufen am 29.03.2014).
  6. J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe. Erstes Buch, Erstes Kapitel: Ein langerwartetes Fest.
  7. J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe. Erstes Buch, Drittes Kapitel: Wanderung zu dritt.
  8. 8,0 8,1 8,2 Rainer Nagel: Verschiedene Interpretationen eines Textes als Grundlage von Übersetzungsstrategie. Die »alte« und die »neue« deutsche HdR-Übersetzung, in: Hither Shore 1 (2004), S. 106f.
  9. In der überarbeiteten Übersetzung Wolfgang Kreges behielt Lisa Kuppler die Originalbezeichnung Master bei.
  10. Hans-Jörg Modelmayr in der Frankfurter Rundschau. Zitiert in Der Herr der Ringe, Klett-Cotta, Stuttgart 2000.