Christopher Tolkien
Christopher John Reuel Tolkien, geboren am 21. November 1924 in Leeds, gestorben am 16. Januar 2020[1] , war der dritte Sohn von Edith und J. R. R. Tolkien und bis zu seinem Tod der Verwalter des literarischen Nachlasses seines Vaters.[2] Benannt wurde er nach Christopher Wiseman, einem Freund seines Vaters;[3] den zweiten Namen „John“ benutzt er in der Regel nicht.[4] Seine Taufpaten waren der Dichter Wilfred R. Childe, der als Englischdozent ein Kollege J. R. R. Tolkiens in Leeds war, und E. M. Spilmont, bei der es sich laut Wayne G. Hammond und Christina Scull vermutlich um eine ehemalige Vermieterin der Tolkiens handelt.[5]
Nachdem sein Vater 1925 eine Professur an der Universität Oxford erhielt, zog die Familie Anfang 1926 von Leeds nach Oxford in die Northmoor Road 22.[6][7] 1930 zog die Familie ein Haus weiter in die Northmoor Road 20.[8] Wie seine älteren Brüder zuvor besuchte Christopher Tolkien die Dragon School in Oxford und ab 1937 die Oratory School in Caversham.[2][9] Anfang 1938 wurde bei ihm eine Herzerkrankung festgestellt, die sehr viel Bettruhe erforderte,[10] weshalb er drei Jahre lang von einem Privatlehrer unterrichtet wurde,[2] ehe er im Herbst 1940 wieder zurück an die Oratory School konnte,[11].
Zu Beginn des Jahres 1942 begann Christopher Tolkien ein Studium am Trinity College der Universität Oxford.[12] Im Juli des folgenden Jahres wurde er zur britischen Luftwaffe eingezogen,[13] und Anfang 1944 für ein gutes Jahr zur Pilotenausbildung nach Südafrika geschickt.[14][15] Nach seiner Rückkehr im Frühjahr 1945 war er zunächst in Shropshire stationiert,[16] und ließ sich dann zur Marineluftwaffe versetzen.[17] Während Christopher Tolkien beim Militär war, schrieb ihm sein Vater zahlreiche Briefe, von denen einige in der Sammlung The Letters of J. R. R. Tolkien abgedruckt sind.[18] Außerdem schickte J. R. R. Tolkien Manuskripte des zu dieser Zeit entstehenden Herrn der Ringe an seinen Sohn, den er in einem Brief an seinen Verleger Stanley Unwin als seinen wichtigsten Kritiker und Mitarbeiter bezeichnete.[19] Später zeichnete Christopher Tolkien die dem Buch beigelegten Karten.[20]
Im Herbst 1945 wurde Christopher Tolkien eingeladen, an den Treffen der Inklings teilzunehmen,[21] einem Freundeskreis um den Autor C. S. Lewis, dem auch J. R. R. Tolkien angehörte[22]. Unter anderem las er bei den Zusammenkünften der Gruppe aus den jeweils neuesten Manuskripten des Herrn der Ringe vor, weil die anderen der Ansicht waren, er könne dies besser als sein Vater.[21]
Im April 1946 nahm Christopher Tolkien sein Englischstudium am Trinity College wieder auf.[23] Nach seinem Abschluss als Bachelor of Arts (B. A.) strebte er ab 1949[24][25] den Bachelor of Letters (B. Litt.) bei E. O. G. Turville-Petre an,[2] den er 1953 erreichte.[26] Seine Abschlussarbeit war eine kritische Ausgabe und Übersetzung einer altisländischen Saga.[2][27] Christopher Tolkien arbeitete danach als Dozent für Alt- und Mittelenglisch sowie Altisländisch an der Universität Oxford, 1963 wurde er Fellow am dortigen New College.[2] Am 2. April 1951[28] heirate er die Künstlerin Faith Faulconbridge, 1959[29] kam der gemeinsame Sohn Simon zur Welt.[6] 1964 trennten sich Christopher und Faith wieder,[30] und etwa drei Jahre später, am 18. September 1967,[31] heiratete er Baillie Klass, die Tochter eines Freundes seines Vaters, mit der er den 1969 geborenen Sohn Adam[32] und die 1971 geborene Tochter Rachel[33] hat.[2]
Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1973 begann Christopher Tolkien damit, dessen litararischen Nachlass zu ordnen; Priorität hatte dabei die Zusammenstellung des Silmarillions, den Legenden von Mittelerde, an denen J. R. R. Tolkien einen großen Teil seines Lebens immer wieder gearbeitet hatte.[2] Weil sein Vater größere Probleme mit der Fertigstellung des komplexen Silmarillons hatte, hatte er sich bereits vorher mit seinem Sohn geeinigt, dass dieser die Werke komplettieren und veröffentlichen sollte.[34] Um sich ganz auf diese Aufgabe konzentrieren zu können, gab Christopher Tolkien 1975 seine Stelle an der Universität auf und zog mit seiner Familie nach Südfrankreich.[6] Nach dem Silmarillion 1977 gab er in den folgenden Jahren weitere Schriften seines Vaters heraus, unter anderem 1980 die Unfinished Tales (Nachrichten aus Mittelerde), 1983 The Monsters and the Critics and Other Essays (Die Ungeheuer und ihre Kritiker), und von 1983 bis 1996 die zwölfbändige History of Middle-earth.[6]
Christopher Tolkien lebte weitgehend zurückgezogen, im Jahre 2012 gab er allerdings eines seiner seltenen Interviews. Er kritisierte darin die zunehmende Kommerzialisierung der Werke seines Vaters, die nicht in dessen Sinne gewesen seien. Auch die Verfilmungen Peter Jacksons sah er kritisch, er bezeichnete sie als „Actionfilm für junge Menschen zwischen 15 und 25“.[35]
Werke (Auswahl)
Eine von Douglas A. Anderson zusammengestellte ausführliche Bibliographie Christopher Tolkiens ist abgedruckt in dem im Jahr 2000 erschienenen Buch Tolkien’s Legendarium: Essays on the History of Middle-earth,[4] mit dem die Herausgeber Verlyn Flieger und Carl F. Hostetter Christopher Tolkiens Arbeit ehren wollten.[36]
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): Guide to the Names in The Lord of the Rings. In: Jared Lobdell (Hrsg.): A Tolkien Compass. Open Court, La Salle (Illinois) 1975, S. 153–201.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): Sir Gawain and the Green Knight, Pearl, and Sir Orfeo. George Allen & Unwin, London 1975 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1975.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Silmarillion. George Allen & Unwin, London 1977 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1977. (Deutsch Das Silmarillion. Übersetzt von Wolfgang Krege. Klett-Cotta, Stuttgart 1978.)
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien: Pictures by J. R. R. Tolkien. George Allen & Unwin, London 1979 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1979. Überarbeitete Ausgabe HarperCollins, London 1992 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1992.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): Unfinished Tales of Númenor and Middle-earth. George Allen & Unwin, London 1980 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1980. (Deutsch Nachrichten aus Mittelerde. Übersetzt von Hans J. Schütz. Klett-Cotta, Stuttgart 1983.)
- J. R. R. Tolkien, Humphrey Carpenter (Hrsg.), Christopher Tolkien (Hrsg.): Letters of J. R. R. Tolkien. George Allen & Unwin, London 1981 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1981. (Deutsch: Briefe. Übersetzt von Wolfgang Krege. Klett-Cotta, Stuttgart 1991.)
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Monsters and the Critics and Other Essays. George Allen & Unwin, London 1983 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1984. (Deutsch Die Ungeheuer und ihre Kritiker. Übersetzt von Wolfgang Krege. Klett-Cotta, Stuttgart 1987.)
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Book of Lost Tales, Part One (= The History of Middle-earth, Volume I). George Allen & Unwin, London 1983 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1984. (Deutsch Das Buch der Verschollenen Geschichten, Teil 1. Übersetzt von Hans J. Schütz. Klatt-Cotta, Stuttgart 1986.)
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Book of Lost Tales, Part Two (= The History of Middle-earth, Volume II). George Allen & Unwin, London 1984 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1984. (Deutsch Das Buch der Verschollenen Geschichten, Teil 2. Übersetzt von Hans J. Schütz. Klatt-Cotta, Stuttgart 1987.)
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Lays of Beleriand (= The History of Middle-earth, Volume III). George Allen & Unwin, London 1985 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1985.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Shaping of Middle-earth (= The History of Middle-earth, Volume IV). George Allen & Unwin, London 1986 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1986.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Lost Road and Other Writings (= The History of Middle-earth, Volume V). Unwin Hyman, London 1987 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1987.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Return of the Shadow (= The History of Middle-earth, Volume VI). Unwin Hyman, London 1988 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1988.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Treason of Isengard (= The History of Middle-earth, Volume VII). Unwin Hyman, London 1989 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1989.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The War of the Ring (= The History of Middle-earth, Volume VIII). Unwin Hyman, London 1990 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1990.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): Sauron Defeated (= The History of Middle-earth, Volume IX). HarperCollins, London 1992 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1992.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): Morgoth’s Ring (= The History of Middle-earth, Volume X). HarperCollins, London 1993 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1993.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The War of the Jewels (= The History of Middle-earth, Volume XI). HarperCollins, London 1994 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1994.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Peoples of Middle-earth (= The History of Middle-earth, Volume XII). HarperCollins, London 1996 bzw. Houghton Mifflin, Boston 1996.
- Christopher Tolkien: The History of Middle-earth Index. HarperCollins, London 2002.
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Children of Húrin. HarperCollins, London 2007 bzw. Houghton Mifflin, Boston 2007. (Deutsch Die Kinder Húrins. Übersetzt von Hans J. Schütz und Helmut W. Pesch. Klett-Cotta, Stuttgart 2007.)
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Legend of Sigurd and Gudrún. HarperCollins, London 2009 bzw. Houghton Mifflin, Boston 2009. (Deutsch Die Legende von Sigurd und Gudrún. Übersetzt von Hans-Ulrich Möhring. Klett-Cotta, Stuttgart 2010.)
- J. R. R. Tolkien, Christopher Tolkien (Hrsg.): The Fall of Arthur. HarperCollins, London 2013 bzw. Houghton Mifflin, Boston 2013.
Weblinks
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- Raphaëlle Rérolle: Tolkien, l'anneau de la discorde. In: Le Monde. 5. Juli 2012. URL: http://www.lemonde.fr/culture/article/2012/07/05/tolkien-l-anneau-de-la-discorde_1729858_3246.html. Abgerufen am 1. Januar 2014. (Englisch My Father's "Eviscerated" Work. In: Worldcrunch. 5. Dezember 2012. URL: http://www.worldcrunch.com/culture-society/my-father-039-s-quot-eviscerated-quot-work-son-of-hobbit-scribe-j.r.r.-tolkien-finally-speaks-out/hobbit-silmarillion-lord-of-rings/c3s10299/. Abgerufen am 1. Januar 2014.)
- Tolkien, Christopher. In: WorldCat Identities. URL: http://www.worldcat.org/identities/lccn-n79-144796. Abgerufen am 1. Januar 2014.
- Tolkien, Christopher. In: Deutsche Nationalbibliothek. URL: http://d-nb.info/gnd/130457671. Abgerufen am 1. Januar 2014.
Quellen
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