J. R. R. Tolkien: Unterschied zwischen den Versionen
K (Änderungen von 87.144.174.27 (Diskussion) rückgängig gemacht und letzte Version von Elborg wiederhergestellt) |
(kein Unterschied)
|
Version vom 8. Juni 2015, 19:27 Uhr
John Ronald Reuel Tolkien, (CBE „Order of the British Empire“ 1972) geboren am 3. Januar 1892 in Bloemfontein, das heute zu Südafrika gehört, gestorben am 2. September 1973 in Bournemouth in England, war ein englischer Schriftsteller und Philologe. Mit seinem Buch Der Herr der Ringe wurde er zu einem der Begründer der modernen Fantasy-Literatur.
Biographie
J. R. R. Tolkien wird im Jahre 1892 als Sohn englischer Eltern, des Bankmanagers Arthur Tolkien und seiner Frau Mabel Suffield, in Bloemfontein im Oranjefreistaat (heute in Südafrika) geboren, wo sich sein Vater aus beruflichen Gründen aufhielt.
Kindheit
Seine frühe Kindheit verläuft bis auf einen Tarantelbiss, der als möglicher Auslöser für das wiederholte Auftreten von giftigen Riesenspinnen in seinen Werken gelten kann, weitgehend ereignislos.
1895 kommt er mit seiner Mutter, die das afrikanische Klima nicht gut verträgt, und seinem 1894 geborenen Bruder Hilary zu einem Urlaub nach Birmingham, England; dort erreicht seine Mutter im darauffolgenden Jahr die Nachricht vom Tode ihres Mannes aufgrund schwerer innerer Blutungen. Die Familie zieht daraufhin zur Miete nach Sarehole Mill, einen Vorort von Birmingham, der zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend von der Industrialisierung verschont geblieben ist. Die folgenden vier Jahre seiner Kindheit verbringt Tolkien in dieser ländlichen Idylle, die später zur literarischen Vorlage für das Auenland, Teil seiner selbsterschaffenen mythologischen Welt, werden wird. Hier wird er auch zuerst mit dem Dialektwort Gamgee für Baumwolle vertraut, das später zum Familiennamen der Gamdschies in seinem Hauptwerk Der Herr der Ringe werden wird.
Seine Mutter, die im Jahre 1900 gegen den Willen ihrer Eltern und Schwiegereltern zum Katholizismus konvertiert, erzieht ihn unterdessen in ihrem Glauben. Diese weltanschauliche Grundprägung sollte sich durch Tolkiens gesamtes Leben ziehen und auch weitreichende Auswirkungen auf sein Werk haben.
Da er sich früh an Sprachen interessiert zeigt, bringt ihm seine Mutter Grundzüge des Lateinischen, Französischen und Deutschen bei. Durch sie wird er auch mit den Geschichten von Lewis Carrolls Alice im Wunderland, der Artus-Sage und den Märchenbüchern von Andrew Lang vertraut gemacht, in denen er zum ersten Mal von den nordischen Sagen um Sigurd und den Drachen Fafnir hört. Zwischen 1900 und 1902 zieht Tolkien mit seiner Mutter mehrfach innerhalb von Birmingham um, zunächst in den Stadtteil Moseley, dann nach King’s Heath, wo er durch die ungewohnten Namen auf den hinter dem Haus vorbeifahrenden Kohlewaggons zum ersten Mal auf das ihn ästhetisch berührende Walisisch stößt, schließlich nach Edgbaston.
Da all diese Orte städtisch geprägt sind, sind seine vom Landleben bestimmten Kindertage endgültig vorbei. Hinzu kommt eine Odyssee durch verschiedene Schulen: Zunächst auf der King Edward’s School angenommen, wechselt er 1902 an die St. Philips Grammar School, um dann 1903 mit einem Stipendium wieder an die King Edward’s School zurückzukehren. Dort lernt er neben den klassischen Sprachen Latein und Griechisch durch einen engagierten Lehrer auch das Mittelenglische kennen.
Am 14. November 1904 – Tolkien ist 12 Jahre alt – stirbt seine Mutter für ihn völlig überraschend nach einem sechstägigen Diabetischen Koma. Dieser frühe Tod bewirkt für Tolkien zweierlei: Zum einen eine starke emotionale Bindung an die katholische Kirche und zum anderen eine pessimistische Grundhaltung, die Vorstellung, dass diese Welt eine unwiderruflich gefallene sei, in der jeder Sieg nur vorübergehend das Dunkel erhellen kann.
Jugend
Die beiden Brüder kommen in die Obhut von Pater Francis Morgan, eines mit ihrer Mutter befreundeten Priesters, der sie zunächst bei ihrer Tante Beatrice Bartlett, später bei einer befreundeten Pensionswirtin unterbringt. Dort lernt Tolkien 1908 seine spätere Frau Edith Bratt kennen, in die er sich bald verliebt. Die geheime Affäre fliegt jedoch bald auf und Tolkien wird von seinem Vormund gezwungen, auf jedes Wiedersehen mit Edith bis zum Zeitpunkt seiner Volljährigkeit mit einundzwanzig Jahren (ein Zeitraum von mehr als drei Jahren) zu verzichten. Vermutlich erst dadurch verwandelt sich die jugendliche Romanze zwischen den beiden in eine tragische Liebesgeschichte, die Tolkien später verhüllt in seiner Sage von Beren und Lúthien literarisch verarbeitet hat.
In der Schule wird Tolkien unterdessen durch seinen Schulrektor nicht nur auf die Philologie, die Wissenschaft von den Gesetzmäßigkeiten der Sprache, aufmerksam, sondern wird durch einen befreundeten Lehrer auch mit dem Altenglischen in Berührung gebracht. Zu dieser Zeit liest er zum ersten Mal das Herzstück der altenglischen Literatur, das Gedicht Beowulf, und ist sofort begeistert. Im Mittelenglischen macht er sich selbst mit den Dichtungen Sir Gawain and the Green Knight und Pearl vertraut. Über alle drei Werke wird er später bedeutsame akademische Arbeiten vorlegen. Schließlich wendet er sich auch dem Altnordischen zu, um die Geschichte um Sigurd und den Drachen Fafnir, die ihn als Kind so fasziniert hatte, im Original lesen zu können.
Von den neu erworbenen philologischen Kenntnissen ermutigt, beginnt Tolkien bald damit, eigene Sprachen zu erfinden, die aber auf seinem zu diesem Zeitpunkt bereits gut ausgebildeten Wissen um philologische Entwicklungsprinzipien beruhen. Frühe Versuche basiert er auf dem Spanischen, doch als er durch einen Schulfreund auf das Gotische aufmerksam wird, beginnt er nicht nur damit, die in dieser toten Sprache enthaltenen Lücken selbsttätig aufzufüllen, sondern versucht auch das Gotische zu einer hypothetischen Ursprache zurückzuführen. Diese enge Beschäftigung mit Sprachen zeigt sich bald auch in der Schule, wo Tolkien seine Zuhörer bei (damals meist in Latein gehaltenen) Debatten bald mit fließenden Vorträgen in Griechisch, Gotisch oder Altenglisch überrascht.
Im Sommer des Jahres 1911 bildet Tolkien mit einigen Freunden, darunter Christopher Wiseman, Robert Quilter Gilson und Geoffrey Bache Smith, den T.C.B.S. (Tea Club – Barrovian Society), eine informelle Gemeinschaft von Freunden, die sich zunächst in der Schulbibliothek, später dann in Barrow’s Stores regelmäßig trifft, um miteinander über Literatur zu diskutieren. Zu dieser Zeit und möglicherweise durch den T.C.B.S. inspiriert, beginnt Tolkien ernsthaft damit, Gedichte zu schreiben, in denen erstmals im Waldland tanzende Feenwesen (fairies) auftreten. Ein möglicher Anstoß dazu könnte von dem katholischen Dichter mystischer Gedichte, Francis Thompson, gekommen sein, mit dessem dichterischen Werk Tolkien sich zu dieser Zeit nachweislich auseinandergesetzt hat.
Nach einem fehlgeschlagenen Versuch im Jahre 1909 gelingt es ihm im Dezember 1910, ein Stipendium des Exeter College in Oxford zu ergattern. Mit dem Wissen, dass seine unmittelbare Zukunft damit gesichert ist, geht Tolkien in den Rest seiner Schulzeit, in der er unter anderem durch das finnische Nationalepos Kalevala auf das Finnische aufmerksam wird, das später seine Kunstsprache Quenya beeinflussen wird. Trotz seiner späteren Abneigung gegen das Theater nimmt Tolkien bereitwillig in der Rolle des Hermes an einer Aufführung von Aristophanes’ Theaterstück Der Frieden teil und kehrt auch im Dezember 1911 noch einmal für eine Aufführung von R. B. Sheridans The Rivals durch Mitglieder des T.C.B.S., in der er die Rolle der Mrs. Malaprop übernimmt, an seine alte Schule zurück.
In der Zeit zwischen Schulende und Studienbeginn in Oxford verbringt Tolkien zusammen mit seinem Bruder und weiteren Freunden einen Wanderurlaub in der Schweiz. Eine Postkarte mit dem Namen Der Berggeist, auf der ein unter einer Kiefer auf einem Felsen sitzender alter Mann dargestellt ist, wird nach seinen späteren Angaben zur Inspiration für die Figur des Zauberers Gandalf in seiner selbst erschaffenen Welt Mythologie.
Studienzeit
Im Oktober 1911 beginnt Tolkien sein Studium in Oxford, zunächst in Classics, dem Studium der klassischen Sprachen Latein und Griechisch und ihrer Literatur, langweilt sich aber schon bald. Einzig die vergleichende Philologie kann sein Interesse auf sich ziehen; sein Professor in diesem Fach weist ihn auf das Walisische hin, dem sich Tolkien daraufhin begeistert zuwendet.
Nach seinem zweiwöchigen Sommerurlaub 1912, den er bei King Edward’s Horse, einem Kavallerieregiment, hauptsächlich im Pferdesattel verbringt (was ein wenig Licht auf das Auftreten der Reiterkultur von Rohan im Herrn der Ringe werfen könnte), kehrt er nach Oxford zurück. Hier beginnt er bald, sich mit dem Finnischen auseinanderzusetzen. Dieser Einfluss zeigt sich auch darin, dass er sein Projekt einer auf dem Gotischen aufgebauten Kunstsprache aufgibt und sich stattdessen an seiner neuen Lieblingssprache orientiert. Das Ergebnis sollte Jahre später als Quenya Eingang in seine mythologische Welt finden.
Weihnachten 1912 verbringt Tolkien bei Verwandten, wo er als Regisseur und Hauptdarsteller ein selbstgeschriebenes Theaterstück zur Aufführung bringt – eine in Anbetracht seiner späteren Abneigung gegen das Drama bemerkenswerte Tatsache.
Am 3. Januar 1913, dem Tage seiner Volljährigkeit, schreibt er das erste Mal wieder an seine Jugendliebe Edith, muss aber erfahren, dass sie sich in der Zwischenzeit mit dem Bruder einer Schulfreundin verlobt hat. Nicht geneigt, seine große Liebe aufzugeben, sucht Tolkien sie daraufhin persönlich an ihrem neuen Wohnort auf, wo es ihm gelingt, sie umzustimmen. Ein Jahr später, nach der Aufnahme Ediths in die katholische Kirche, findet die offizielle Verlobung statt, nach weiteren zwei Jahren, am 22. Januar 1916, die Hochzeit.
Unterdessen verläuft auch sein akademischer Weg nicht geradlinig. Durch seine Vernachlässigung des eigentlichen Lehrstoffs zugunsten seiner zahlreichen Sprachinteressen schließt er eine Zwischenprüfung nach zwei Jahren Studium enttäuschend nur mit einem Second (vergleichbar der deutschen Note „Gut“) ab. Auf Anregung seines Colleges, wo sein Interesse an germanischen Sprachen aufgefallen war, wechselt er daraufhin an das Institut für englische Sprache und Literatur. Dort liest er im Rahmen des anspruchsvollen altenglischen Literaturkanons das Werk Crist des angelsächsischen Dichters Cynewulf (frühes 8. Jahrhundert), eine Sammlung religiöser Dichtung. Zwei Zeilen dieses Gedichtes sollten ihn nachhaltig beeinflussen:
- Eala Earendel engla beorhtast
- ofer middangeard monnum sended
- Heil dir Earendel, strahlendster Engel,
- über Mittelerde dem Menschen gesandt
Mit middangeard oder „Mittelerde“ ist hier die Welt der Menschen gemeint. Traditionell als „Lichtstrahl“ übersetzt, glaubte Tolkien, dass der Name Earendel auf den Morgenstern, die Venus, verweist, der mit seinem Aufgehen das Ende der Nacht und den Anbruch des Tages ankündigt. Er selbst beschrieb später die Wirkung dieser Zeilen auf sich so:
- I felt a curious thrill, as if something had stirred in me - half wakened from sleep. There was something very remote and strange and beautiful behind those words, ..., far beyond ancient English.
- Ich fühlte mich auf seltsame Weise beflügelt, als ob sich in mir etwas geregt hätte, halb aus dem Schlaf erweckt. Da steckte etwas ungeheuer Fernes, Wundersames und Schönes hinter diesen Worten, ..., weit jenseits des archaischen Englisch.
Dieser Zeitpunkt kann vorsichtig als Geburtsstunde seiner Mythologie angesetzt werden, denn schon ein Jahr später schreibt er das Gedicht The Voyage of Earendel the Evening Star, das mit den oben zitierten Zeilen beginnt und den Keim seiner Mittelerde-Mythologie bildet.
Seine weitere Studienzeit verläuft unterdessen weitgehend ereignislos – von wiederholten Treffen mit seinen Freunden vom T.C.B.S. abgesehen, die ihn in seinen dichterischen Bemühungen unterstützen. Eine Anekdote aus dieser Zeit wirft ein bezeichnendes Licht auf die auch später noch für Tolkien charakteristische Arbeitsweise: Auf die Frage seines Freundes G. B. Smith nach dem Hintergrund seines Earendel-Gedichtes antwortet Tolkien: „I don’t know. I’ll try to find out.“ – „Ich weiß es nicht. Ich werde versuchen es herauszufinden.“ Diese Sicht des Schreibens nicht als Neuschöpfung, sondern als Entdeckungsreise bleibt für ihn sein Leben lang bestimmend. Im Jahr nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in der zweiten Juniwoche 1915, schließt er sein Studium – diesmal mit Auszeichnung, First Class Honours – ab.
Krieg
Er wird als Bataillonsoffizier für Signalwesen in das 11. Bataillon des Regiments der Lancashire Fusiliers berufen und nimmt durch aktiven Frontdienst an der Schlacht an der Somme teil, der blutigsten Schlacht des Ersten Weltkrieges. Die unmittelbare Erfahrung der Grausamkeiten des Stellungskrieges trifft ihn tief und lässt den Einbruch des Bösen in eine friedvolle Welt zu einem Grundthema seines Lebens und seiner Literatur werden. Am 27. Oktober 1916 zeigt er jedoch die Symptome eines durch Läuse übertragenen und in den Schützengräben grassierenden Fiebers und wird am 8. November zur Behandlung nach England verschifft. Während seines Genesungsurlaubes, zunächst in Birmingham und dann in Great Haywood, erfährt er vom Tode seines T.C.B.S.-Kameraden G. B. Smith, nachdem er noch in Frankreich den Verlust seines Schulfreundes Rob Gilson hatte hinnehmen müssen. Der letzte Brief von Smith schließt mit den bewegenden Zeilen: „May God bless you, my dear John Ronald, and may you say the things I have tried to say long after I am not there to say them, if such be my lot.“ – „Möge Gott Dich segnen, mein lieber John Ronald, und mögest Du die Dinge sagen, die ich zu sagen versucht habe, lange nachdem ich selbst nicht mehr da sein werde, um sie zu sagen, sollte dies mein Schicksal sein.“ Für Tolkien werden sie zum Vermächtnis.
Er beginnt mit einem Projekt, das in der Literaturgeschichte ohne große Vorbilder dasteht, der Erschaffung eines vollständigen und mit nichts weniger als der Schöpfung der Welt beginnenden Sagenzyklus. Mit der Niederschrift des Buches der Verschollenen Geschichten, das in dieser Form erst postum durch seinen Sohn Christopher veröffentlicht werden wird, existieren erstmals größere Teile seiner später im Silmarillion ausgearbeiteten Mythologie. Hier benutzt er auch erstmals konsequent seine erfundenen Sprachen, insbesondere Quenya und Sindarin. Beide setzt er nun als Sprache der Elben in Mittelerde ein.
Unterdessen schwankt sein Gesundheitszustand und die Gefahr, an die Front zurückgeschickt zu werden, schwebt ständig über ihm. Vorübergehend nach Yorkshire versetzt, erkrankt er bald wieder und wird in das Sanatorium Harrogate verlegt. Wieder genesen zu einer Signalschule im Nordosten geschickt, erkrankt er nach Abschluss erneut und kommt diesmal in das Offizierskrankenhaus nach Kingston upon Hull.
Während dieser Zeit, am 16. November 1917, gebiert Edith ihren ersten gemeinsamen Sohn, der zu Ehren von Pater Francis auf den Namen John Francis Reuel getauft wird. Ihm werden noch im Oktober 1920 Michael Hilary Reuel, im November 1924 Christopher John Reuel und schließlich im Juni 1929 die Tochter Priscilla Mary Reuel folgen. Die Zeit nach der Geburt des ersten Sohnes ist durch glückliche Momente geprägt: Bei Landausflügen in die Wälder der Umgebung singt und tanzt Edith für ihn – eine weitere Inspiration zur Geschichte von Beren und Lúthien.
Nach weiteren Versetzungen im Frühjahr 1918, unter anderem nach Penkridge in der Grafschaft Staffordshire und wieder zurück nach Hull, erkrankt er erneut und muss wiederum ins Offizierskrankenhaus eingewiesen werden. Er nutzt die Zeit diesmal, um sich neben der Arbeit an seiner Mythologie etwas Russisch beizubringen. Nach seiner Entlassung im Oktober steht schließlich fest, dass das Ende des Krieges kurz bevorsteht. Auf der Suche nach Arbeit wendet er sich daraufhin an einen seiner ehemaligen Oxforder Dozenten, William Craigie, der ihm eine Anstellung beim New English Dictionary verschafft, so dass Tolkien endlich im November 1918 mit Frau und Kind nach Oxford umziehen kann.
Frühe Berufsjahre
Auch wenn sich in seiner Satire Bauer Giles von Ham einige ironische Anspielungen auf seine Zeit beim New English Dictionary finden, ist dies doch insgesamt eine glückliche Zeit. Zum ersten Mal dauerhaft mit Edith vereint und im eigenen Haus lebend, findet er seine Tätigkeit auch intellektuell anregend. Später wird er über die zwei Jahre, in denen er an der Produktion des Wörterbuchs beteiligt ist, sagen, er habe zu keiner Zeit seines Lebens mehr gelernt. Tagfüllend sind die ihm gestellten Aufgaben jedoch nicht, so dass er nebenbei noch Zeit findet, als Privatlehrer Studenten zu unterrichten, eine Tätigkeit, die sich als lukrativ genug herausstellt, um im Jahre 1920 die Mitarbeit am New English Dictionary beenden zu können.
Doch wenn auch die finanzielle Situation akzeptabel ist, hat Tolkien seinen Wunsch, eine akademische Laufbahn anzutreten, nicht aufgegeben. Da ergibt sich überraschend im Sommer des Jahres 1920 eine Möglichkeit: In Leeds ist die Stelle eines Reader (eine Art Juniorprofessor) am Institut für englische Sprache freigeworden. Obwohl anfänglich skeptisch über seine Chancen, erhält er die ersehnte Stelle. Dies bedeutet allerdings auch eine weitere Trennung von Edith, die mit den jetzt zwei Söhnen in Oxford zurückbleibt, bis sie 1921 nachziehen kann.
Von seinem Vorgesetzten wird er zunächst mit der Organisation des Studienplans für Alt- und Mittelenglisch betraut. Daneben erarbeitet er zusammen mit seinem Kollegen Eric V. Gordon eine Neuedition des mittelenglischen Gedichts Sir Gawain and the Green Knight, die nach ihrer Veröffentlichung 1925 bald als herausragender Beitrag zur mittelenglischen Philologie gilt. Auch privat kommen sich die beiden Kollegen näher und formen zusammen mit Studenten den Viking-Club, in dem außer reichlichem Biergenuss altnordische Trinklieder und teilweise recht derbe Gesänge in altenglischer Sprache im Mittelpunkt stehen, ein Umstand, der vermutlich nicht unwesentlich zur Beliebtheit Tolkiens bei seinen Studenten beiträgt. Nach vier Jahren in Leeds im Jahr 1924 wird Tolkien schließlich zum vollen Professor befördert.
In Gedichten aus dieser Zeit finden sich die ersten Hinweise auf Kreaturen, die später in seiner Mittelerde-Mythologie ihren Platz finden werden: Das Gedicht Glib zum Beispiel beschreibt ein schleimiges Wesen mit schwach leuchtenden Augen, das tief in einer Höhle lebt, und erinnert damit an die Figur des Gollum. Seine „seriöse“ Mythologie, heute im Buch der Verschollenen Geschichten vorliegend, ist unterdessen fast fertiggestellt. Zwei der Sagen, die Geschichte von Túrin Turambar und die Erzählung von Lúthien und Beren, wählt er aus, um sie in eine ausführlichere Gedichtform zu übertragen.
1925 wird plötzlich der Rawlinson und Bosworth Lehrstuhl für Angelsächsisch in Oxford vakant. Tolkien bewirbt sich und erhält, wohl unter anderem durch die Reputation seiner Sir Gawain-Übersetzung, den Posten zugesprochen.
Der kleine Hobbit und Der Herr der Ringe
In den frühen 1920er und 1930er Jahren beginnt er, seinen Kindern regelmäßig fantasievolle Geschichten zu erzählen, die allerdings meist außerhalb der Mythenwelt spielen, an der er zu dieser Zeit bereits ernsthaft arbeitet. Aus dieser Zeit stammt unter anderem die Erzählung Roverandom, die auf das Verschwinden eines Spielzeughundes seines zweiten Sohnes Michael zurückgeht. Anders als diese Erzählung verweist die 1930 begonnene Geschichte Der kleine Hobbit teilweise auf Ereignisse aus seiner ernsthaften Mythologie, so in den Verweisen auf die Elbenstadt Gondolin und den Geisterbeschwörer (Sauron), der zu dieser Zeit bereits Teil seiner später in der Altvorderenzeit angesiedelten Geschichten ist. Durch Vermittlung einer ehemaligen Studentin wird der Verlag Allen & Unwin auf seine Erzählung aufmerksam, die nach begeisterter Rezension durch den Sohn des Verlegers, Rayner Unwin, im Jahre 1937 veröffentlicht wird. Auf dringenden Wunsch des Verlages beginnt Tolkien mit der Arbeit an einer Nachfolgeerzählung, die zunächst wie der Der kleine Hobbit als Kinderbuch angelegt ist.
Gegen Ende der dreißiger Jahre und nach Inspiration durch C. S. Lewis, einen engen Freund, der mit ihm in dem literarischen Zirkel der Inklings verbunden ist, hält er den vielbeachteten Vortrag Über Märchen, in dem er die Grundsätze des später entstehenden Fantasy-Genres beschreibt und energisch gegen Vorwürfe des Eskapismus verteidigt. Während des Zweiten Weltkrieges zieht sich die Arbeit an seinem Nachfolgeprojekt für den Hobbit hin, das jetzt den Namen Der Herr der Ringe trägt, wird aber immer wieder durch andere Aufgaben unterbrochen.
1945 wechselt er, immer noch in Oxford, auf die Professur für Anglistik. Erst im Jahre 1954 aber wird Der Herr der Ringe endlich veröffentlicht. Die Verzögerung hatte zum einen mit Tolkiens Perfektionismus, zum anderen aber auch mit Tolkiens Wunsch nach einem Verlagswechsel zu tun, der durch die Ablehnung seines ernsthaften Mythenwerkes Das Silmarillion motiviert war.
Als sein alter Verleger Allen & Unwin ein Ultimatum zur Veröffentlichung seiner Gesamtmythologie (Der Herr der Ringe und Das Silmarillion) ohne Möglichkeit zur Ansicht des Manuskripts ablehnt, trägt Tolkien sein Werk dem Verlagshaus Collins an. Nach anfänglichem Enthusiasmus besteht man dort jedoch auf weitreichenden Kürzungen, zu denen Tolkien nicht bereit ist, so dass er sich reumütig wieder an seinen alten Verlag wendet. Rayner Unwin, der als Kind den Hobbit begutachtet hatte, ist mittlerweile zum Juniorverleger aufgestiegen und nimmt das Buch ohne weitere Korrekturen an. Aufgrund der im Gefolge des Krieges exorbitanten Papierpreise in England wird das Werk in drei Bänden (Die Gefährten, Die zwei Türme, Die Rückkehr des Königs) veröffentlicht, so dass jeder Einzelband zu erschwinglichen Preisen angeboten werden kann. Daher wird das Gesamtwerk bis heute fälschlicherweise eine Trilogie genannt – eine Bezeichnung, die Tolkien Zeit seines Lebens ablehnte, da er das Werk in sechs Bücher unterteilt hatte.
Anfang der 1960er erscheint in den USA eine unautorisierte Kopie des Herrn der Ringe und löst eine Kultbewegung unter den Studenten aus, was Tolkien schnell zu Berühmtheit verhilft. Durch enge Anbindung an seine immer zahlreicher werdenden Fans, die zu seinen Gunsten erheblichen Druck auf den Verleger der Piratenausgabe ausüben, gelingt es Tolkien jedoch (entgegen der für ihn ungünstigen Rechtslage), dass die Piratenedition eingestellt wird, so dass bald nur noch die durch ihn autorisierte Fassung auf dem US-amerikanischen Markt erhältlich ist.
Letzte Jahre
Sein weiteres Leben verbringt er mit dem Ausarbeiten des Silmarillion, das er jedoch bis zu seinem Lebensende nicht mehr fertigstellt und das erst nach seinem Tode von seinem Sohn Christopher herausgegeben wird.
Für ein paar Jahre ziehen er und seine Frau Edith in das englische Seebad Bournemouth. Dort stirbt Edith im Jahre 1971, woraufhin Tolkien nach Oxford zurückkehrt. Zwei Jahre später stirbt auch J. R. R. Tolkien im Alter von 81 Jahren nach kurzer Krankheit in einem privaten Hospital in Bournemouth, wohin er für einen kurzen Urlaub verreist war. Das Grabmal der beiden befindet sich auf dem katholischen Teil des Wolvercote Cemetery in Oxford; auf den Grabsteinen stehen neben ihren Namen auch die Namen Beren und Lúthien – Zeichen für eine den Tod überdauernde Liebe. Bereits vor dem Tod seines Vaters bearbeitet Christopher Tolkien die Schriftstücke seines Vaters und veröffentlicht sie seit 1977, unter anderem Das Silmarillion und von 1983 bis 1996 auch die History of Middle-Earth.
Stammbaum
|
Werke
Eine vollständigere Übersicht findet sich unter Bibliographie Tolkiens.
- Der kleine Hobbit (The Hobbit: or There and Back Again), 1937, dt. 1957
- Blatt von Tüftler (Leaf by Niggle), 1945, dt. 1964
- Bauer Giles von Ham (Farmer Giles of Ham), 1949
- Der Herr der Ringe (The Lord of the Rings), 1969/1970, erschienen in drei Bänden als
- The Fellowship of the Ring: being the first part of The Lord of the Rings 1954,
- The Two Towers: being the second part of The Lord of the Rings 1954,
- The Return of the King: being the third part of The Lord of the Rings 1955
- Der Schmied von Großholzingen (Smith of Wootton Major) 1967
- Die Briefe vom Weihnachtsmann (The Letters of Father Christmas), postum 1976, dt. 1977
- Das Silmarillion (The Silmarillion), postum 1977, dt. 1978
- Nachrichten aus Mittelerde (Unfinished Tales of Númenor and Middle-earth), postum 1980, dt. 1983
- Herr Glück (Mr. Bliss), postum 1982, dt. 1983
- The History of Middle-earth postum 1983-1996, erschienen in zwölf Bänden als
- The Book of Lost Tales, Part I postum 1983, dt. Übersetzung in Das Buch der verschollenen Geschichten
- The Book of Lost Tales, Part II postum 1984, dt. Übersetzung in Das Buch der verschollenen Geschichten, Teil 2
- The Lays of Beleriand postum 1985
- The Shaping of Middle-earth postum 1986
- The Lost Road and Other Writings postum 1987
- The Return of the Shadow postum 1988
- The Treason of Isengard postum 1989
- The War of the Ring postum 1990
- Sauron Defeated postum 1992
- Morgoth’s Ring postum 1993
- The War of the Jewels postum 1994
- The Peoples of Middle-earth postum 1996
- Roverandom postum 1998
- Die Kinder Húrins (The Children of Húrin) postum 2007
- Die Legende von Sigurd und Gudrún postum 2009
- The Fall of Arthur postum 2013
Trivia
Tolkiens Popularität führte dazu, dass verschiedene Namen und Begriffe aus seinen Werken Eingang in die Wissenschaft fanden, siehe Wissenschaftliche Benennungen nach Tolkiens Legendarium.
Weiterführende Literatur
Zu J. R. R. Tolkien und dessen Werk sind zahlreiche Veröffentlichungen erschienen. Im Folgenden eine kleine Auswahl weiterführender Literatur.
zur Biographie
- Humphrey Carpenter: J. R. R. Tolkien: Eine Biographie. Aus dem Englischen von Wolfgang Krege. Stuttgart: Klett-Cotta, 2001.
- John Garth: Tolkien and the Great War: The Threshold of Middle-earth. Boston: Houghton Mifflin, 2003.
- Christina Scull, Wayne G. Hammond: The J. R. R. Tolkien Companion & Guide. Bd 1. Chronology. London: HarperCollins, 2006.
- Christina Scull, Wayne G. Hammond: The J. R. R. Tolkien Companion & Guide. Bd 2. Reader's Guide. London: HarperCollins, 2006.
zum Werk
- Verlyn Flieger: A Question of Time: J. R. R. Tolkien's Road to Faerie. Kent State University Press, 1997.
- Verlyn Flieger, Carl F. Hostetter (Hrsgg.): Tolkien’s Legendarium: Essays on The History of Middle-earth. Westport: Greenwood Press, 2000.
- Tom Shippey: J. R. R. Tolkien: Autor des Jahrhunderts. Aus dem Englischen von Wolfgang Krege. Stuttgart: Klett-Cotta, 2002.
- Tom Shippey: Der Weg nach Mittelerde: Wie J. R. R. Tolkien „Der Herr der Ringe“ schuf. Aus dem Englischen von Helmut W. Pesch. Stuttgart: Klett-Cotta 2008.
Periodika
- Douglas A. Anderson, Michael D. C. Drout, Verlyn Flieger (Hrsgg.): Tolkien Studies: An Annual Scholarly Review. West Virginia University Press, 2004–.
- Marcel Bülles et. al. (Hrsgg.): Hither Shore – Interdisciplinary Journal on Modern Fantasy Literature: Jahrbuch der Deutschen Tolkien Gesellschaft. Düsseldorf: Scriptorium Oxoniae, 2004–.
Weblinks
Tolkien-Gesellschaften
Tolkiens Verlage
Kataloge
Diese Seite basiert auf der Seite J._R._R._Tolkien aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Creative Commons Attribution/Share-Alike-Lizenz. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |