Kalevala

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Akseli Gallen-Kallela, Die Verteidigung des Sampo. Die wohl bekannteste Kalevala-Illustration zeigt den Helden Väinämöinen und Louhi, die Herrscherin des Nordlandes Pohjola, im Kampf um den magischen Gegenstand Sampo.

Das Kalevala ist ein von Elias Lönnrot im 19. Jahrhundert auf Grundlage der mündlich überlieferten finnischen Volksdichtung zusammengestelltes Epos. Es gilt als das finnische Nationalepos und zählt zu den wichtigsten literarischen Werken in finnischer Sprache. Das Kalevala trug maßgeblich zur Entwicklung des finnischen Nationalbewusstseins bei und hat weit über Finnland hinaus gewirkt. Die erste Fassung des Werkes erschien im Jahr 1835. Der Name leitet sich von dem Urvater der besungenen Helden, Kaleva, ab und bedeutet so viel wie „Land Kalevas“. Der Standardtext des Kalevala besteht aus 22.795 Versen, die in fünfzig Gesänge eingeteilt sind.

Inhalt

Überblick

Das Kalevala besteht aus einer Zusammenstellung von einem breiten Spektrum von Heldensagen und Mythen. Sie handelt hauptsächlich vom Werben um die Tochter von Louhi, der Herrscherin des Nordlandes (Pohjola) und dem Konflikt zwischen dem Volk von Kalevala und Pohjola um den Sampo, einen mythischen Gegenstand, der seinem Besitzer Wohlstand verschafft. Pohjola wird teils mit Lappland identifiziert. Über den Sampo, ein magisches Gerät, das Gold, Getreide und Salz herstellt, gibt es viele Interpretationen. Daneben gibt es mehrere andere Handlungsstränge, zum Beispiel die Sage von Kullervo, der unwissend seine eigene Schwester verführt, oder die christliche Legende von Marjatta, also der Jungfrau Maria. Zu den mythischen Elementen im Kalevala gehört die Schöpfung der Erde und Entstehungsmythen wie die Entstehung des Eisens.

Der wichtigste Protagonist des Kalevala ist der alte und weise Sänger Väinämöinen. In ihm verbinden sich die Züge eines Sagenhelden, eines Schamanen und einer mythischen Gottheit. Andere zentrale Figuren sind der Schmied Ilmarinen und der streitbare Frauenheld Lemminkäinen.

Manche Inhalte des Kalevala weisen Parallelen zu Mythen aus anderen Kulturräumen auf. So erinnert Kullervo an den griechischen Ödipus-Mythos. Die Geschichte des von seiner Mutter aus dem Fluss des Todes zurück ins Leben erweckten Lemminkäinen zeigt starke Parallelen zum ägyptischen Osiris-Mythos. Das Kalevala unterscheidet sich von anderen Sagenzyklen durch ihre auf das gemeine Volk gerichtete Perspektive. Auch zeichnen sich die Helden des Kalevala weniger durch kriegerisches Geschick als durch Wissen und Sangeskunst aus.

Werkgeschichte

Das Kalevala geht auf die uralte mündlich tradierte finnische Volksdichtung zurück. Die Zusammenstellung der Lieder zu einem zusammenhängenden Epos stammt jedoch aus dem 19. Jahrhundert und ist ein Kunstprodukt von Elias Lönnrot. Lönnrot selbst war ausgehend von Friedrich August Wolfs Theorie zur Homerischen Frage von der (inzwischen obsoleten) Ansicht überzeugt, dass die vielen Einzellieder, die er auf seinen Reisen in Karelien aufgezeichnet hatte, einst ein zusammenhängendes Epos gebildet hatten, das es zu rekonstruieren gelte. Er fügte die von ihm gesammelten Lieder zusammen und veränderte teilweise die Zusammenhänge, um sie zu einer logischen Handlung zu verknüpfen. 33% der Verse des Kalevala sind wörtlich aus den gesammelten Aufzeichnungen übernommen, 50% sind geringfügig von Lönnrot bearbeitet, 14% der Verse schrieb er selbst analog zu vorhandenen Versen und 3% erfand er frei.

Rezeption

Das Kalevala hat die finnische Kultur in nicht zu unterschätzender Weise geprägt und wurde zur Inspiration für zahlreiche Künstler. Dass die wichtigsten Werke zur Kalevala erst Ende des 19. Jahrhunderts, also viele Jahrzehnte nach Erscheinen des Epos, entstanden, hängt damit zusammen, dass die Kunst in Finnland zu Zeiten Lönnrots noch in den Kinderschuhen steckte. Die zwei Jahrzehnte zwischen 1890 und 1910 gelten als „goldenes Zeitalter“ der finnischen Kunst. Während dieser Zeit entstand die als Karelianismus bekannte Begeisterung für Das Kalevala und ihren Ursprungsort Karelien. Fast alle bedeutenden finnischen Künstler dieser Epoche unternahmen Reisen nach Karelien und ließen sich vom Kalevala inspirieren.

Literatur

Der im Kalevala-Versmaß geschriebene Gedichtzyklus Helkavirsiä (1903-1916) von Eino Leino verbindet den Karelianismus mit dem europäischen Symbolismus. Auch der Schriftsteller Juhani Aho beschäftigte sich u.a. in seinem Roman Panu (1879) mit dem Kalevala. Aleksis Kivi schrieb das Theaterstück Kullervo, das 1882 uraufgeführt wurde.

Auch außerhalb Finnlands hat das Epos Einfluss ausgeübt. In Estland sammelte Friedrich Reinhold Kreutzwald Volksdichtung und schuf nach dem Vorbild des Kalevala das estnische Nationalepos Kalevipoeg. Der Amerikaner Henry Wadsworth Longfellow übernahm für sein auf indianischen Legenden beruhendes episches Gedicht Song of Hiawatha das Kalevala-Versmaß. J. R. R. Tolkien verarbeitete in seinem Werk zahlreiche Einflüsse aus dem Kalevala.

Literatur

  • Kalevala. Das finnische Epos von Elias Lönnrot, (neue Übersetzung mit einem Nachwort von Gisbert Jänicke), Jung und Jung, Salzburg, Wien, 2004, ISBN 3-902144-68-8
  • Kalevala. Das finnische Epos des Elias Lönnrot, (deutsche Ausgabe), Reclam, Stuttgart 1989, ISBN 3-15-010332-0
  • Kalevala. Das Nationalepos der Finnen (Teilausgabe), Hinstorff, Rostock, 2001, ISBN 3-356-00792-0
  • Inge Ott: Kalevala. Die Taten von Väinämöinen, Ilmarinen und Lemminkäinen (Prosa-Nacherzählung), Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1989, ISBN 3-7725-0697-6
  • Pertti Anttonen, Matti Kuusi: Kalevala-lipas, Suomalaisen Kirjallisuuden Seura, Helsinki 1999, ISBN 951-746-035-7

Tolkien und die Kalevala

Carpenter zitiert Tolkien in der Biographie: "Je mehr ich davon las, desto mehr fühlte ich mich zuhause und freute mich."[1] Im Brief 75 schreibt Tolkien, dass er in der Kalevalla über die Erfindung des Biers gelesen hat. Am Ende des Abschnitts schreibt er dann: "Das Finnische hätte mir beinahe mein Examen in Altphilologie verdorben und es war der erste Keim zum Silmarillion...."[2]. Im Brief 163 führt er näher aus, dass er insbesondere die Geschichte des unglücklichen Kullervo in seinem Sinn umgeschrieben hat, sogar in Verse.[3] Seine umgeschriebene Geschichte trägt den Titel Die Kinder Húrins. Sie ist Teil des Silmarillion und wurde inzwischen unter dem gleichen Buchtitel in einer ausführlichen Fassung veröffentlicht. Eine weitere Quelle der Inspiration für das Vorgehen Tolkiens war die Begeisterung für William Morris Schreibstil, den er in einer eigenen Geschichtete bewusst nachbilden wollte und setzte das bei dieser Geschichte um. [4] Durch die Auseinandersetzung mit dem finnischen Epos wendete Tolkien sich ab vom Neugotischen und entwickelte seine Privatsprache, das Quenya, auf der Basis des Finnischen.[5]

Kalevala in Tolkiens Briefen

In folgenden Briefen Tolkiens wird auf die Kalevala eingegangen:

Links


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  1. Carpenter, Humphrey. "J.R.R. Tolkien: Eine Biographie, Klett-Cotta 2022, S.84
  2. J. R. R. Tolkien Briefe, 4. deutsche Auflage, Klett-Cotta S. 118
  3. J. R. R. Tolkien Briefe, 4. deutsche Auflage, Klett-Cotta S. 283
  4. Carpenter, Humphrey. "J.R.R. Tolkien: Eine Biographie, Klett-Cotta 2022, S.121
  5. Carpenter, Humphrey. "J.R.R. Tolkien: Eine Biographie, Klett-Cotta 2022, S.100